„Fliehkräfte in der EU werden stärker“

„Fliehkräfte in der EU werden stärker“
Bundeskanzler Sebastian Kurz beklagt steigende Spannungen zwischen den EU-Staaten

Dem Bundeskanzler fallen Rollenwechsel ganz leicht. Am Samstag sprach er beim Europa-Forum Wachau im Stift Göttweig ganz als künftiger EU-Vorsitzender: moderat, den Zusammenhalt in der EU predigend und auf europäische Werte bedacht. „Das internationale Umfeld ist mit Trump, Putin, Syrien und der Türkei nicht einfacher geworden, und im Inneren der Europäischen Union gibt es nicht nur Gutes. Die Fliehkräfte in der EU werden stärker“, warnte Sebastian Kurz. Die Spannungen zwischen den EU-Mitgliedern führte er auf die Flüchtlingskrise zurück, auf den dramatischen Streit zwischen CDU und CSU ging er nicht ein.

Der Zustand der EU könnte sich verbessern, dafür müsste „die EU schlanker, geeinter und fokussierter werden“, skizzierte der Bundeskanzler seine Pläne eines neuen Europas. Mit schlanker meinte er die Reduzierung der EU-Kommissare, ein kleinerer Beamten-Apparat und nur ein Sitz für das EU-Parlament.

Um geeinter zu wirken, dürfe es „keine Mitglieder erster und zweiter Klasse geben“. Damit nahm er Länder in Schutz, die wegen Regelverstößen häufig kritisiert werden, wie etwa Ungarn oder auch Polen. Das Ziel der EU lautet seit jeher „in Vielfalt geeint und nicht in Gleichheit getrennt“, betonte der Kanzler.

Mit der Forderung, die EU müsse fokussierter auftreten, verbindet er „mehr Subsidiarität“, mehr Kompetenzen sollten von Brüssel in die Länder zurückwandern. Die EU sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren, forderte Kurz: „Einen stärkeren Außengrenzschutz, mehr Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und einen digitalen Binnenmarkt.“

Hohe Balkan-Gäste

Der Rede des Bundeskanzlers lauschten Gastgeberin, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die Regierungschefs von Kroatien, Serbien und Montenegro sowie die bulgarische Europa-Ministerin. Montenegros Duško Marković erklärte, dass die steigenden Flüchtlingszahlen „alarmierend“ seien. Sein Land sei gezwungen „Zentren für Flüchtlinge zu errichten“.

Der Vizechef der Grenzschutz-Agentur Frontex, Berndt Körtner, versprach den Balkan-Ländern Unterstützung in Form von Polizisten und einen besseren Austausch von Informationen. Körtner bestätigte, dass die Zahl der Flüchtlinge, die auf dem Landweg aus der Türkei nach Griechenland kommen, signifikant im Vergleich zum Vorjahr ansteigt. 21.000 Übertritte sind allein in den vergangenen Monaten registriert worden.

Der Frontex-Beamte verlangte, dass Rückführungen nicht anerkannter Asylwerber oder illegaler Flüchtlinge verstärkt durchgeführt werden sollten. Allein 2017 organisierte Frontex – gemeinsam mit verschiedenen Regierungen – 341 Flüge. Insgesamt wurden mehr als 14.000 Personen abgeschoben.

Margaretha Kopeinig

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