Faymanns "Abstauberpolitik" in der Kritik
Österreichs Kanzler tritt auf dem außenpolitischen Parkett seit kurzem verstärkt auf – Faymann wettert gegen TTIP, Faymann trifft Tsipras, Faymann wäre gern beim Anti-Terror-Gipfel gewesen. Das sorgt für koalitionäre Misstöne: Das ÖVP-Generalsekretariat wirft ihm eine „immer peinlichere Suche nach internationaler Anerkennung“ vor, er wolle Sebastian Kurz den Rang ablaufen, wird vermutet.
Am Montag hatte ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel anlässlich von Alexis Tsipras Blitzbesuch Faymanns Suche nach internationaler Anerkennung als „immer peinlicher“ bezeichnet. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos konterte, indem er die ÖVP als „eine Partei der Banken und Millionäre“ bezeichnete.
Neue Kleider, aber keine neue Politik
„Ich sehe in solchen Kommentaren keinen Vorteil, aber es liegt unter meine Wahrnehmungsschwelle“, kommentierte Faymann die gegenseitigen Provokationen gelassen. Mitterlehner wiederum wollte das Hickhack „nicht überbewerten“: „Politik ist ein hartes Geschäft“, dass er als Schutzpatron von Banken und Millionären dargestellt werde, „ist halt so“: „Ich fühle mich nicht so.“
Aber einen kleinen zynischen Seitenhieb konnte sich Mitterlehner dann anlässlich der Visite trotzdem nicht verbeißen. „Ich weiß nicht, wie eine neue Freundschaft zu interpretieren ist.“ Der Vizekanzler kritisierte weiter Tsipras PR-Tour durch Europa. „Nur weil man sich neue Kleider überstreift, macht man noch keine neue Politik. In Tsipras Regierungserklärung habe ich noch keine neuen Reformansätze erkennen können.“ Ganz im Gegenteil. Tsipras agiere, so der Vizekanzler, bei Pensionen, Mindestlohn oder Beamten nach jenen alten Modellen, die Griechenland in die Misere getrieben hätten.
Ex-EU-Kommissar Franz Fischler spricht gar von einer „Art Abstauberpolitik“, die Faymann da mache – die Themen, die medial interessant sind, würde er verstärkt besetzen, andere, weniger gut verkaufbare dafür auslassen, sagt er im Ö1-Interview. Eine Abstimmung mit dem Koalitionspartner wäre dabei durchaus wünschenswert – allerdings bringe es auch nichts, wenn sich die Parteisekretariate gegenseitig beflegeln.
Der Politiologe Anton Pelinka meint hingegen, in der Politik sei das "Abstauben" normal: „Das macht nicht nur Faymann, das machen alle.“ Was auffalle, sei jedoch die innenpolitische Determinante der Auftritte - „Faymann will damit sein innerparteiliches Profil stärken“, sagt Pelinka. Seine positiven Kontakte zu Syriza würde die stetig wachsende innerparteiliche Kritik aus dem linken Flügel besänftigen.
Wer innenpolitisch geschwächt ist, will auf außenpolitischem Parkett punkten, meint der Politologe – weil Faymann innerhalb der SPÖ derzeit nicht besonders gut dastehe, versuche er so wieder Stimmung für sich zu machen.
Schlechtes Bild
Dass die Regierung außenpolitisch keine gemeinsame Linie fahre, hält Pelinka für problematisch: Es gebe eindeutig verstärkten Abstimmungsbedarf; hie und da spreche Österreich mit der SPÖ-Stimme, hie und da mit ÖVP-Stimme. Das werde außerhalb Österreichs nämlich durchaus wahrgenommen, so der Politologe: Gerade in der Ukraine-Politik sei dies wichtig, da Russland versuche, die europäischen Staaten gegeneinander auszuspielen.
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