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Familienbeihilfe: Vorwürfe gegen osteuropäische Länder

Familienbeihilfe: Vorwürfe gegen osteuropäische Länder
Ein EU-Abgeordneter wirft osteuropäischen Staaten Einsparungen von Sozialleistungen auf Kosten Westeuropas vor.

Österreich will ab Jänner die Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder indexieren und an die Lebenshaltungskosten im Wohnland anpassen. Auf europäischer Ebene gibt es für den Vorstoß Unterstützung aus Deutschland, Dänemark, den Niederlanden und Irland, die Debatte über eine EU-weite Änderung dürfte aber noch Jahre dauern, wie der deutsche EU-Abgeordnete Sven Schulze (CDU) der APA sagte.

Während die EU-Kommission keinen Grund für eine Änderung der derzeitigen Auszahlungspraxis sieht und Österreichs Vorgehen in Brüssel von vielen für EU-rechtswidrig gehalten wird, versucht Schulze im EU-Parlament als EVP-Berichterstatter im Sozial-Ausschuss das Thema voranzutreiben. Bisher mit mäßigem Erfolg. Die Fraktionen sind in der Frage "komplett gespalten" - zwischen westeuropäischen und osteuropäischen Ländern.

Schulze sieht Österreich in der Frage des Kindergeldes, wie die Familienbeihilfe in Deutschland heißt, als "Vorreiter". Dem von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) postulierten "Gerechtigkeitsgedanken" kann er einiges abgewinnen. "Ich verschreibe mit dem Grundsatz, die gleichen Sozialleistungen für die gleichen Kinder am gleichen Ort. Analog zum Slogan der Kommission, 'gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort', der bei der Entsenderrichtlinie verwendet wurde."

"Europarechtswidrige" Indexierung

Im Zusammenhang mit der Familienbeihilfe erhebt Schulze nun brisante Vorwürfe gegen eine Reihe von osteuropäischen Mitgliedsstaaten. Einige Länder würden selbst "europarechtswidrig indexieren und gleichzeitig auf europäischer Ebene die Fortsetzung des Exports des westeuropäischen Kindergeldes verlangen, um so zum Teil Kindergeldzahlungen an ihre eigenen Bürger auf Kosten des exportpflichtigen Auslands einzusparen".

Slowenien, Kroatien und Bulgarien hätten etwa national eine Einkommensobergrenze als Kriterium für den Bezug der Familienbeihilfe und anderer Familienleistungen für ihre Landsleute festgelegt. Eltern, die im Ausland arbeiten und vergleichsweise hohe Einkommen beziehen, bekommen nichts. Das Land, in dem die Eltern arbeiten, zahlt so die gesamte Familienbeihilfe und nicht nur den Differenzbetrag.

Tschechien und die Slowakei gewähren Familien mit Kindern laut Schulze Steuervergünstigungen - allerdings nur, wenn das Kind im gleichen Haushalt mit den Eltern lebt. "Hier wird der Wohnsitz zu einem Kriterium fürs Kindergeld erhoben."

"Diskriminierung der eigenen Staatsbürger"

Polen und Rumänien trieben es auf die Spitze. Sie zahlten nicht einmal dann Familienbeihilfe an Kinder auf ihrem Staatsgebiet, wenn diese das Kindergeld über ein arbeitendes Elternteil aus dem Ausland beziehen. "Das ist Diskriminierung der eigenen Staatsbürger, eine Entlastung der Sozialausgaben auf Kosten anderer Länder und mit den Koordinierungsregeln unvereinbar", so der CDU-Parlamentarier.

Kroatien scheine darüber hinaus die Familienleistungen anderer EU-Staaten einer eigenen Steuer zu unterwerfen. Die Familienleistung werde so in eine Kohäsionsleistung umgewandelt.

Schulze: "Die osteuropäischen Staaten pochen in Brüssel sehr auf die Beibehaltung des Status quo beim Export des Kindergeldes. Gleichzeitig nutzen sie national Indexierungen, die sie aus meiner Sicht an europarechtswidrige Kriterien knüpfen mit dem angenehmen Nebeneffekt, Geld zu sparen oder auch noch einzunehmen."

Der EU-Parlamentarier hat deshalb einen Vorschlag für eine Reform der Familienbeihilfe erarbeitet. Dieser umfasst drei Punkte: EU-Staaten sollen die Indexierung auf freiwilliger Basis einführen können. "Ich möchte keine verpflichtende, europaweit geltende Indexierung." Die EU-Kommission soll "Herrin des Verfahrens" sein, den Indexierungsmechanismus entwickeln und Korridore festlegen, in denen indexiert wird. Und die Indexierung muss bei der Höhe der Familienbeihilfe in beide Richtungen gehen.

In Österreich 273 Millionen Euro

Dass dies am Ende bedeuten würde, dass ein Banker für sein Kind in Luxemburg mehr Kindergeld bekommt als eine Pflegerin für ihr Kind in der Slowakei, kommentiert Schulze mit den Worten "ja, so ist das Leben". Es gehe darum, wo das Kind lebt und wie hoch die Kosten dort sind. Die Familienbeihilfe sei anders als die Pension eine steuer- und nicht beitragsfinanzierte Sozialleistung. "Die Rente kriege ich, weil ich ein Leben lang dafür gearbeitet und eingezahlt habe, egal ob ich meinen Lebensabend in Spanien, Deutschland oder Österreich verbringe. Die Familienleistung zahlt der Staat freiwillig aus dem Gesamtsteuereinkommen."

Der CDU-Abgeordnete erwartet früher oder später eine Änderung der Auszahlungspraxis. "David Cameron wurde von den anderen EU-Staatschefs die Indexierung versprochen, um die Briten in der EU zu halten. Warum sollte das heute nicht mehr gelten?"

In Österreich wurden 2016 rund 273 Millionen Euro an Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder ausbezahlt. Laut Familienministerium würde eine Indexierung Einsparungen von etwa 114 Millionen Euro bringen, weil der Großteil der Fälle Kinder in osteuropäischen Ländern betrifft, wo die Lebenshaltungskosten niedriger sind als in Österreich. In Deutschland werden laut Medienberichten knapp 500 Millionen Euro pro Jahr an Kindergeldleistungen ins EU-Ausland transferiert.

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