Ex-Staatsanwalt Jarosch: "Gibt Wadlbeißer, die Agenda verfolgen“

Er war Staatsanwalt aus Leidenschaft. Doch nun verließ Gerhard Jarosch (53), der in den vergangenen 25 Jahren zahlreiche brisante Causen anklagte, die Justiz. Der ehemalige Ankläger überraschte mit einem neuen Job, den ihm in der Branche nicht viele zugetraut hätten: Er ist nun Agentur-Partner beim Sebastian-Kurz-Vertrauten Wolfgang Rosam, um künftig seine Expertise bei prozessbegleitender Öffentlichkeitsarbeit anzubieten – sogenannter Litigation-PR.
Sprich: Der Ex-Staatsanwalt wird prominente Beschuldigte in Ermittlungsverfahren beraten, wie sie ihre Causa in den Medien darstellen sollen. Aus Frust passiere dieser bemerkenswerte Wechsel nicht, versichert Jarosch im Interview.
KURIER: Herr Jarosch, wie kam es zu diesem Seitenwechsel?
Gerhard Jarosch: Ich war vier Jahre in Den Haag und stand vor der Entscheidung: Gehe ich zurück in meinen alten Job oder mache ich was ganz Neues. Mit fast 54 ist es meine letzte Chance für einen Wechsel. Was macht man als Staatsanwalt mit 25 Jahren Erfahrung? Man kann Anwalt werden, das hat mich nicht gereizt. Da ich aber gerne mit Medien arbeite, war das Feld der Litigation-PR das Coolste für mich.
Das bedeutet einen Paradigmenwechsel: Früher haben Sie Verbrechen verfolgt, jetzt werden Sie prominente Beschuldigte beraten … Ein Staatsanwalt verfolgt und bekämpft nicht. Er klärt Causen objektiv auf. Als ich junger Staatsanwalt war, sahen noch manche Richter und Staatsanwälte die Verteidiger als Menschen zweiter Klasse. Das kann nicht sein. Jeder Mensch hat das Recht, den besten Anwalt zu bekommen, der seine Rechte vertritt. Nichts anderes mache ich künftig gegenüber der Öffentlichkeit. Es ist aber ein Vorurteil gegenüber der Litigation-PR, dass damit versucht wird, den Ausgang einer Gerichtsverhandlung zu beeinflussen. Das ist ein Vollholler. Da gibt es Studien dazu, dass das gar nicht möglich ist.
Würden Sie Fälle auch ablehnen – beispielsweise eine Causa Grasser?
Das kann ich nicht beantworten. Denn in der Causa Grasser haben wir jetzt einen Informationsstand von zehn Jahren Ermittlungen und Verfahren. Wenn jemand zu uns kommt, steht man meistens am Beginn der Ermittlungen. Ich würde mich aber auch niemals auf ein moralisches Podest heben und auf einen Anwalt herabsehen, weil er einen Verdächtigen wegen Kindesmissbrauchs verteidigt. Denn auch solche Beschuldigte brauchen eine Verteidigung. Das braucht der Rechtsstaat.
Der 53-Jährige war nicht nur Chefankläger in großen Strafcausen, sondern sah sich auch als Erklärer der Staatsanwaltschaft. Als einer der wenigen Staatsanwälte hatte Jarosch keine Berührungsängste gegenüber den Medien. Zuletzt in Den Haag Von 2018 bis 2022 Leiter des österreichischen Büros bei Eurojust in Den Haag. Viele Jahre war Jarosch Präsident der Vereinigung Österreichischer Staatsanwälte und Präsident der Internationalen Staatsanwältevereinigung. In der Vorwoche
gab Jarosch bekannt, dass er nun Partner in der Agentur des ÖVP-nahen Lobbyisten Wolfgang Rosam wird und künftig als Litigation-PR-Berater für Unternehmen und Beschuldigte tätig sein wird.
Ein großes Thema ist die Veröffentlichung der Chats aus Ermittlungsakten. Viele Betroffene kritisieren, dass eine Vorverurteilung stattfindet. Wie beurteilen Sie die Veröffentlichungen?
Eine Vorverurteilung kann immer durch mediale Berichterstattung passieren, das muss nicht mit den Chats zusammenhängen. Es gibt Journalisten, die versuchen, seriös zu berichten, und es gibt die Wadlbeißer, die versuchen, eine Agenda zu verfolgen. Litigation-PR ist aber mehr, als nur Strafcausen zu begleiten, man benötigt diese Expertise auch bei vielen anderen wie etwa Markenschutz- oder arbeitsrechtlichen Verfahren, wo ein Unternehmen massiven Schaden nehmen kann.
Sie kommen aus der Staatsanwaltschaft. Eine Debatte herrscht um die Berichtspflicht der Staatsanwälte an die Aufsicht. Benötigen Staatsanwälte eine Aufsicht?
Jede Justiz soll kontrolliert werden. Bei Gerichten ist es klar, dass es beim Obersten Gerichtshof ein Ende geben muss. Es braucht transparente Kontrollen von unten bis oben. Es gibt in Europa nur ein einziges Land, das den individuellen freien Staatsanwalt hat, das ist Italien. Einem italienischen Staatsanwalt kann man nicht sagen, dass er ein Verfahren einstellen soll. Dafür muss er aber mit zwei Richtern im Ermittlungsverfahren zusammenarbeiten, was es nur komplizierter macht. Aus meiner Sicht ist das kein gutes Modell, und Staatsanwälte vertragen auch Kontrolle.
Es soll das Modell des Bundesstaatsanwaltes kommen. Soll dieses Amt nur eine Persönlichkeit bekleiden, oder soll es hier ein Vier-Augen-Prinzip geben?
Es gibt nur ein Land in Europa, wo es mehr als einen Bundesstaatsanwalt gibt. Das sind die Niederlande, sonst gibt es immer nur einen Bundesstaatsanwalt, und dieses Modell hat sich bewährt.
Sind Anzeigen zu einem politischen Instrument geworden, um dem politischen Gegner zu schaden?
Das hat es schon gegeben, als ich noch ein junger Staatsanwalt war. Das ist nichts Neues, kann aber oft zu Missbrauch führen.
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