Krach um Steuerreform: Für Häupl "ernste Sache"
Die Debatte um den richtigen Zeitpunkt einer Steuerreform will nicht enden: Zwar ist die VP dem Vorschlag der SP, schon 2015 eine Entlastung vorzunehmen, nach dem Austausch wenig freundlicher Worte ein wenig nähergerückt (siehe unten) – geeinigt hat man sich aber noch lange nicht.
Nun hat sich auch der Wiener Bürgermeister in die Diskussion eingemischt. Er straft vor allem den Ton der Debatte ab: "Die Wortwahl des Vizekanzlers war überzogen", sagt Häupl im Ö1-Interview in Anspielung auf die Aussage Spindeleggers, das Agieren des Kanzlers in Sachen Steuern sei "unehrlich und unverantwortlich".
"Wenn nix mehr geht, muss man sich trennen"
Doch damit nicht genug – Häupl stellt wegen des noch nicht akkordierten Zeitpunkts auch die Koalition infrage: Er hält eine Entlastung der mittleren und kleinen Einkommen nämlich bereits im nächsten Jahr für unerlässlich. „Spüren muss man die Entlastung 2015“. Die VP kann sich dies aber nach wie vorerst 2016 vorstellen.
Der Zeitpunkt, ein Knackpunkt dieser Koalitionsregierung: „Wenn nix mehr geht, muss man sich trennen“, sagt Häupl. Noch sei man aber noch nicht soweit, meint der Wiener Bürgermeister. Die Debatte sei jedenfalls eine "ernste Geschichte".
Voves mahnt Konsens ein
Mahenende Worte kommen auch aus dem Süden: Die Bundesparteien sollten „mit dem Hick-Hack endlich aufhören und auf die Stimme der Wähler hören“, sagt der steirische Landeshauptmann Franz Voves. Er richtete in der ZiB 2 einen eindringlichen Appell an die Koalitionspartner, sich zusammenzusetzen und eine Steuerreform auszuverhandeln. "Wenn jetzt nichts kommt, haben beide 2018 (bei der nächsten Nationalratswahl) ganz große Probleme", meinte er in Richtung SPÖ und ÖVP. Was den Zeitpunkt angeht, plädiert er aber – ganz auf SP-Linien für den 1. Jänner 2015.
"Grund-grausliche Stimmung"
Die Österreicher hätten "eindeutig genug" vom Streit, es herrsche eine "grund-grausliche Stimmung" mit einem "Drall stark nach rechts", konstatierte Voves - der im nächsten Jahr in der Steiermark Landtagswahlen zu schlagen hat.
Den Drohungen anderer SPÖ-Landeshauptleute mit dem Nachdenken über ein Koalitionsende wollte sich Voves nicht anschließen: Es sei "für Vernunft und Zusammenarbeit in der Politik", sagte er dazu - und eine Steuerreform lasse sich vereinbaren und finanzieren, "wenn man es nur will".
Wochenlang die stereotype Ansage des ÖVP-Finanzministers: Eine Steuerreform auf Pump kommt nicht infrage; es wird sie erst geben, wenn sie "leistbar" sei. Und so nannte Michael Spindelegger auch kein Datum. Nun tut er das. Im Juli 2015 könnte die Reform im Parlament beschlossen werden, greifen würde sie "frühestens 2016".
Was ist geschehen? Der steigende Druck lässt Spindelegger umschwenken. Der rot dominierte ÖGB, die Arbeiterkämmerer, SPÖ-Länderchefs und -Minister, Kanzler Werner Faymann – sie alle haben zuletzt immer heftiger eine Entlastung propagiert. Faymann auch deshalb, weil er fürchtet, andernfalls beim Parteitag im Herbst bei der Wiederwahl als SPÖ-Chef abgestraft zu werden.
Raus aus dem Eck
Auch immer mehr Schwarze – Christgewerkschafter, die Steirer, Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner, der 2015 eine Wahl zu schlagen hat – drängen auf eine Steuerreform. Der Finanzminister ist ins Eck geraten. So sehr, dass er – entgegen seiner Art – Faymann attackierte. Wegen einer verlorenen EU-Wahl "zum großen Kämpfer zu werden, ist unverantwortlich und unehrlich". Faymann solle "nicht nur den SPÖ-Chef spielen, er sollte sich wieder auf seine Rolle als Kanzler besinnen". Faymann konterte: "Verantwortungslos wäre es, das sage ich auch dem Herrn Vizekanzler, wenn man Millionäre schützt, aber Arbeitnehmer nicht entlastet." Österreich sei Schlusslicht bei Vermögenssteuern. "Wer das nicht sieht, ist auf einem Auge blind."
Reinigendes Gewitter
Dem Verbalgewitter folgte ein Gespräch der beiden. Mit der Vereinbarung, fortan wieder sachlich zu debattieren. Und so tat am Montag auch die SPÖ die Namen jener Experten kund, die – neben einem Polit-Gespann – in der Steuerreformkommission sitzen werden (siehe unten). Seit Jänner sollte es sie geben; diese Woche wird sie endlich zu werken beginnen. Faymann möchte von ihr ein Konzept bis Ende 2014, wirken solle die Reform im Laufe kommenden Jahres – allenfalls etappenweise.
Die Parteisekretäre hielten sich nicht ans Sachlichkeitsgebot (SPÖ-Darabos: "Spindelegger schützt Millionäre"; ÖVP-Blümel: "SPÖ setzt auf Klassenkampf"). Von Faymanns Intimus, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, kam zartes Lob für den Koalitionspartner: Spindeleggers Aussagen in Sachen Steuerreform seien "ein erster, wenn auch zaghafter Schritt in die richtige Richtung. Es ist erfreulich, dass er sich zu einer Steuerreform bekennt, nun auch einen Zeithorizont dafür abgesteckt hat."
Auch wenn sich Rot und Schwarz terminlich näherkommen, inhaltlich sind sie weit voneinander entfernt. Gegen Vermögenssteuern (die mittlerweile auch Schwarze begehren) verwahrt sich Spindelegger nach wie vor. Strukturreformen müssten die Basis sein, sagte er einmal mehr.
Um zu untermauern, dass das im Sinne der Parteifreunde sei, griff die Bundes-ÖVP zu einem Mittel, das – höflich formuliert – in westlichen Breiten ungewöhnlich ist: 13 Spitzenschwarze – vom Klubobmann über die Minister (außer Sophie Karmasin) bis zur Frauenchefin – ließen eine Presseaussendung mit identem Titel ausschicken: "Echte Reformen statt neuer Schulden und neuer Steuern".
"Es muss eine spürbare Entlastung geben – und die möglichst schnell." Viel mehr wollte Werner Muhm am Montag nicht sagen. Die Stimmung in Sachen Steuerreform sei aufgeheizt genug; zudem wäre es schlechter Stil, Verhandlungen schon vor dem ersten Treffen vorwegzunehmen.
Muhm ist Direktor der Wiener Arbeiterkammer, und er wurde am Montag offiziell von der SPÖ als Mitglied der Steuerreform-Kommission präsentiert. Das Experten-Gremium soll im Auftrag der Regierung Ideen für eine umfassende Steuer-Entlastung erarbeiten. Und nachdem die Volkspartei am Sonntag via KURIER ihre Mitglieder benannte, zog die SPÖ am Montag nach. Neben Muhm werden zwei weitere AK-Experten – Maria Kubitschek und Otto Farny – verhandeln; hinzu kommen der Linzer Finanzrechtler Georg Kofler und Christopher Berka vom Bundeskanzleramt.
Allein die Zusammensetzung der Gruppe lässt erahnen, dass es zu erheblichen ideologischen Konflikten kommen wird. Denn wie der Tiroler AK-Präsident und ÖVPler Erwin Zangerl gestern zornig festhielt, verhandeln auf Seiten der ÖVP "Industrie- und Wirtschaftslobbyisten – und kein einziger Arbeitnehmervertreter".
Wen meint Zangerl konkret? Zum einen ist da Alfred Heiter von der Industriellenvereinigung. Im Unterschied zur Arbeiterkammer, die zur Finanzierung der Steuerreform große Privatvermögen viel stärker besteuern will, sind Vermögenssteuern für die IV ein absolutes Tabu – Österreich, so die These der IV, habe ein Ausgaben-, kein Einnahmenproblem.
Ähnlich sieht die Sache Andreas Zakostelsky. Der Finanzsprecher der ÖVP sitzt neben den Steuerberatern Heinz Harb und Bernhard Gröhs aufseiten der ÖVP in der Expertengruppe. Und für Zakostelsky ist eine Steuerreform durch Umverteilung – also durch neue Steuern – ebenfalls kaum denkbar.
Der Finanzsprecher der SPÖ, Jan Krainer, stellt im KURIER eine Variante für eine Steuersenkung vor, wie sie von der SPÖ und Bundeskanzler Werner Faymann forciert wird. Demnach würde der Eingangssteuersatz von derzeit 36,5 auf 25 Prozent sinken. Greifen würde der Eingangssteuersatz wie bisher ab einem Jahres-Brutto-Einkommen von 11.000 €.
Die Steuerprogression würde nach dem SPÖ-Modell in mehreren Stufen sanfter ansteigen als derzeit. Derzeit werden ab einem Jahres-Brutto von 25.000 € bereits 43,2 % Steuern eingehoben.
In dem SPÖ-Modell würde man für sein Einkommen– bis 11.000 € null Steuer– ab 11.000 € 25 % Steuer– ab 19.000 € 35 % Steuer– ab 28.000 € 40 % Steuer– ab 37.000 € 45 % Steuer– ab 60.000 € 50 % Steuer bezahlen. Der Höchststeuersatz bliebe somit gleich.
Laut der durchgerechneten Tabelle (siehe Grafik) würden sich die Lohnsteuerpflichtigen bis zu 1540 € im Jahr Steuern ersparen bzw. mehr an Geld zur Verfügung haben. Insgesamt würden laut Jan Krainer vier Millionen Steuerpflichtige von der Entlastung profitieren:
– 1,6 Millionen im Segment zwischen 11.000 € und 19.000 € Monatsbrutto
– 1,3 Millionen Personen zwischen 19.000 € und 28.000 € Monatsbrutto
– 550.000 Personen zwischen 28.000 € und 37.000 €
– 400.000 Menschen zwischen 37.000 € und 60.000 €
– 160.000 Personen über 60.000 € brutto im Jahr.
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