Durchgriffsrecht brachte 1.700 Plätze für Flüchtlinge

Ein gelbes Bürogebäude mit blauen Fensterrahmen und geparkten Autos davor.
Bundeskanzler Faymann appelliert weiterhin an die Bundesländer. Derzeit rund 65.000 Asylwerber in Österreich.

Das Durchgriffsrecht, das es dem Bund ermöglicht, in den Ländern Plätze für Flüchtlinge zu schaffen, habe 1.700 gebracht. Das berichtete Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) am Dienstag nach dem Ministerrat. Die Plätze wurden an bisher fünf Standorten geschaffen, in Althofen, Ossiach (jeweils Kärnten), Steyregg (Oberösterreich), Bergheim (Salzburg) und zuletzt in Leoben (Steiermark).

80.000 prognostiziert

Derzeit zähle man 60.000 bis 65.000 Asylwerber, erklärte Faymann. Die Prognose gehe von rund 80.000 Asylwerbern im Jahr 2015 aus. Zwar seien schon etliche Plätze geschaffen worden, aber noch sei man "hinten nach", so der Kanzler. Derzeit würden sich auch noch 500 Personen in Zelten befinden. Diese Zahl soll bis zum Winter auf null reduziert werden, forderte der SPÖ-Chef. Er appellierte daher an all jene Bundesländer, die die Quote noch nicht erfüllen, Quartiere zu schaffen. Mit und ohne Durchgriffsrecht solle die Unterbringung zustande gebracht werden.

Zwei Männer in Anzügen stehen vor österreichischen Flaggen und sprechen.
ABD0040_20151020 - WIEN - ÖSTERREICH: VK Reinhold Mitterlehner (l.) und BK Werner Faymann während des Pressefoyers nach einer Sitzung des Ministerrates am Dienstag, 20. Oktober 2015, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
Auch auf europäischer Ebene werde die Diskussion intensiv geführt. Ein Europa ohne Grenzen für Reisende, aber mit Stacheldraht für Flüchtlinge - das werde es nicht geben, betonte Faymann. Umso wichtiger sei es daher, die EU-Außengrenze zu schützen und die Flüchtlinge zu verteilen. Anderenfalls werde der europäische Gedanke dieser Prüfung nicht standhalten. Die Bundesregierung agiere jedenfalls gemeinsam und sei in enger Abstimmung mit Deutschland.

Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ( ÖVP) zeigte sich optimistisch, was das Durchgriffsrecht betrifft. Die Problemlage beim Flüchtlingszustrom habe sich "nur relativ verändert", verwies er auf die Ankunft der Flüchtlinge nun in Spielfeld statt in Nickelsdorf.

Seit Mitternacht sind erneut Hunderte Flüchtlinge bei Spielfeld und Bad Radkersburg aus Slowenien über die Grenze nach Österreich gekommen. Dienstagmittag befanden sich knapp 1.000 Menschen an den beiden Grenzübergängen und wurden registriert, in den Transitquartieren in Graz und Umgebung wurden rund 1.100 Menschen vom Roten Kreuz betreut.

Polizeisprecher Fritz Grundnig erklärte kurz vor Mittag, dass in Spielfeld etwa 550 Migranten auf ihre Weiterreise warteten, in Bad Radkersburg waren es etwas mehr als 400. Die meisten von ihnen waren in der Früh von slowenischen Einsatzkräften mit Bussen bis kurz vor die Grenzübergänge gebracht worden. Die letzten Meter legten sie zu Fuß zurück.

Lage eher ruhig

Die Flüchtlinge werden kontrolliert und registriert. Einige wenige, die sich mit gefälschten Dokumenten ausweisen wollten, wurden nicht nach Österreich gelassen, sagte Grundnig. Sie werden zurückgewiesen, eine genaue Zahl, wie viele es bisher waren, konnte er vorerst nicht nennen. Insgesamt sei die Lage eher ruhig.

Seitens des Roten Kreuzes, das im ehemaligen Euro-Shopping-Center in Graz und in der früheren Bellaflora-Halle in Feldkirchen bei Graz Notquartiere betreibt, hieß es am Dienstag, dass es immer schwieriger werde, freiwillige Helfer zu bekommen. Viele Studierende stünden wegen des nun wieder laufenden Uni-Betriebs nicht mehr zu Verfügung. Die Freiwilligen seien aber notwendig, um "die Aufgaben zu machen, die eigentlich die Republik Österreich machen sollte", sagte Rot-Kreuz-Sprecher August Bäck.

Slowenien unter Druck

Slowenien steht angesichts der Verlagerung der Flüchtlingsroute durch das Land zunehmend unter Druck. Die Flüchtlingsunterkünfte des kleinen EU-Landes waren am Dienstag völlig überfüllt. In der Früh befanden sich knapp 3700 Menschen in den Aufnahmeeinrichtungen, die meisten davon im Nordosten des Landes. Weitere rund 4700 wurden noch in den Aufnahmezentren an der Grenze zu Serbien versorgt. Angesichts des zunehmenden Drucks auf der Balkanroute war Slowenien von seiner Position abgerückt, lediglich 2500 Menschen täglich die Einreise zu erlauben.

Unterdessen schickt Kroatien weiter unangemeldet neue Flüchtlinge an die slowenische Grenze. Alleine an dem kleinen Grenzübergang Rigonce im Südosten des Landes kamen Dienstagfrüh rund 2000 neue Flüchtlinge an, hieß es aus der Polizeibehörde in Novo mesto. Am Grenzübergang warteten sie auf die Einreise, hieß es. In Rigonce waren bereits am Montag rund 3000 Flüchtlinge von Kroatien aus angekommen.

Geld für Hilfsorganisationen

Jene Hilfsorganisationen, die für die Flüchtlingsversorgung ein Förderansuchen gestellt haben, sollen noch diese Woche Geld erhalten. Zur Verfügung stehen 15 Mio. Euro. Die entsprechenden Förderverträge werden am Mittwoch unterzeichnet, erklärte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ( ÖVP) am Dienstag gegenüber Journalisten.

Alle rechtlichen Fragen mit dem Finanzministerium seien geklärt worden. Nach Unterzeichnung der Förderverträge könne das Geld noch diese Woche überwiesen werden, so Mikl-Leitner. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) verwies vor dem Ministerrat auf den hier festgelegten Prozess. Die Hilfsorganisationen bringen demnach ihre Abrechnungen beim Innenministerium ein. Es funktioniere "nicht auf Zuruf", so Schelling.

4000 Menschen in Notquartieren

Insgesamt haben 4000 Flüchtlinge die Nacht auf Dienstag in betreuten Transitquartieren verbracht. 850 Menschen befanden sich in der Früh an Sammelstellen in der Steiermark und in Salzburg. Diese Zahlen nannte der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik,

Die Zahl der Menschen in Notquartieren ist damit zum dritten Mal in Folge zurückgegangen. In diesen provisorischen Unterkünften nächtigten aber neuerlich rund 4000 Asylantragsteller, die nicht von den zuständigen Stellen betreut werden.

Planungen in Nickelsdorf

Indes hat sich die Flüchtlingssituation im Burgenland entspannt. Seit Sonntag kommen keine Flüchtlinge in Nickelsdorf an. Diese Zeit nutzt das Rote Kreuz nun, um in Ruhe weitere Vorgangsweisen zu planen, so Sprecher Tobias Mindler am Dienstag. "Wir gehen verschiedene Szenarien durch, wie es nun weitergehen könnte", sagte er. Außerdem ziehen die Helfer in ein Winterquartier.

"Wir richten gerade das Winterquartier ein. Die Meldestelle für Helfer und die Einsatzleitung sind nicht mehr in der Nova-Rock-Halle, sondern in der Veterinärmedizinischen Halle direkt an der Grenze zu finden", berichtete Mindler. Dort soll künftig auch die medizinische Versorgung sowie die Ausgabestelle von Kleidung und vermutlich auch von Essen untergebracht sein. Derzeit sind ein Einsatzleiter und ein paar Helfer an Ort und Stelle und richten das Quartier, in dem es auch Aufenthaltsmöglichkeit für Flüchtlinge gibt, ein.

Grenzkontrollen verlängert

Wie am Montag bekannt wurde, werden die Grenzkontrollen in Österreich mindestens bis 4. November andauern. In einem Schreiben an die EU-Kommission wurde betont, dass sich die Intensität der Kontrollen weiterhin "auf das für die Sicherheit notwendige Ausmaß" beschränken werde. Die Maßnahme sei aufgrund des "enormen Zustroms" von Drittstaatenangehörigen notwendig, um nicht eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit sowie eine Überlastung der Exekutive, der Rettungsdienste und der öffentlichen Infrastruktur zuzulassen. Zwischen 5. September und 8. Oktober seien an der südöstlichen Landesgrenze 238.485 Personen aufgegriffen worden, von denen 9.017 einen Antrag auf öffentlichen Schutz gestellt hätten, werden die Grenzkontrollen auch mit Zahlen verteidigt.

Slowenien warf seinen kroatischen Kollegen unterdessen erneut vor, sich unkooperativ zu verhalten. Das Nachbarland würde sich weder an die Bitten der slowenischen Seite, die Zahl der ankommenden Flüchtlinge zu begrenzen, noch an bereits getroffene Vereinbarungen halten. Auch die Kommunikation zwischen den Behörden habe man nicht wiederherstellen können.

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