Die sieben Baustellen des Milliarden-Sparpakets

Zwei Männer stehen an Rednerpulten vor der österreichischen Flagge und dem EU-Banner.
Kanzler und Vizekanzler ziehen jetzt wieder an einem Strang. Doch ein Drittel des Pakets ist vorerst nur Überschrift. Die Reaktionen von Experten und Opposition sind geteilt.

Es ist vollbracht. Nach langen, schwierigen Verhandlungen haben Rot und Schwarz nach einer Sondersitzung der Regierung Freitagabend das Sparpaket präsentiert. 26,5 Milliarden Euro ist das Paket schwer, mit dem der Staatshaushalt bis 2016 saniert werden soll. Wen das Sparpaket am heftigsten trifft, lesen Sie hier im Detail.

Regierungschef Werner Faymann sprach von einem sozial ausgewogenen Paket. Er verwies auf neue Einnahmen, etwa durch einen befristeten Solidarbeitrag der Top-Verdiener – die SPÖ hatte ja auf einen Beitrag der Reichen gedrängt. „Wir werden im Unterschied zu anderen Ländern nicht Massensteuern wie die Umsatzsteuer auf Lebensmittel anheben.“ Vizekanzler Michael Spindelegger befand: „Das Ergebnis kann sich sehen lassen.“ Er verwies darauf, dass der Großteil durch Einsparungen erzielt werde – die ÖVP hatte zu Beginn auf ein reines Sparprogramm gedrängt.

Die Vertreter der Landwirte wollen, wie Beamte und ÖGB, das Kleingedruckte im Sparprogramm noch begutachten. Und die Industriellenvereinigung beklagt, dass es neue Steuern geben wird. Auch die Opposition ist unzufrieden und vermisst echte Reformen. Die ersten Reaktionen zwischen Lob und Kritik.

Hülle ohne Fülle? Sieben offene Punkte

Doch auch wenn die Regierung jubelt - ein Drittel der beschlossenen Spar- und Steuermaßnahmen sind noch gar nicht gesichert. Sieben der zahlreichen Punkte im rot-schwarzen Paket basieren auf dem Prinzip Hoffnung oder sind nur Überschriften, die erst mit Leben erfüllt werden müssen. Bei allen sieben Punkten handelt es sich um vergleichsweise sehr große Brocken im Sparpaket. Es sind dies:

- die 1,5 Mrd. Euro Einnahmen aus der EU-weiten Finanztransaktionssteuer
- die 1,1 Mrd. Euro aus Schwarzgeldern in der Schweiz
- die 1,37 Mrd. aus der Gesundheitsreform
- die 1,2 Mrd. Euro Struktureffekt bei den Pensionen
- die 2,6 Mrd. Sparbeitrag der Länder und
- die 1 Mrd. Förderreform.

In Summe hat die Regierung diese Maßnahmen mit 8,8 Mrd. Euro im Sparpaket budgetiert. Das ist genau ein Drittel des Gesamtvolumens von 26,5 Mrd. Euro. Der wohl größte Unsicherheitsfaktor sind dabei die Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer (FTT). Diese soll, so die Hoffnung der Regierung, ab 2014 jährlich 500 Mio. Euro bringen. Basis für diese Annahme ist eine entsprechende EU-Maßnahme, die allerdings noch lange nicht beschlossen ist.

Ebenfalls vorerst nur ein Wunsch sind die Einnahmen aus der Besteuerung von österreichischem Schwarzgeld in der Schweiz. Vorbild für die geplante Abgabe ist ein deutsch-schweizerisches Abkommen. Zwischen Österreich und den Eidgenossen müsste so ein Vertrag aber erst vereinbart werden.

Äußerst fraglich sind in Kenntnis der bisher gescheiterten Reformversuche auch die geplanten 1,37 Mrd. Euro an Ersparnis durch eine Gesundheitsreform. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind mit den Ländern noch lange nicht fixiert.

In anderen Bereichen ist die Erreichung des Sparziels fraglich. So sind etwa durch die Streichung von Doppel- und Dreifachförderungen Einsparungen von 500 Mio. Euro ab 2015 geplant. Dafür soll aber erst mit Ländern und Gemeinden eine "Förderpyramide" vereinbart werden, Realität ist diese noch nicht. Noch fraglich ist auch der 2,6-Mrd.-Euro-Sparbeitrag der Länder. Wo diese sparen wollen und sollen, wird erst verhandelt. Abzuwarten gilt es auch, ob der geplanten Struktureffekt von 1,2 Mrd. Euro durch den Anstieg des Pensionsalters erreicht wird.

In Schwebe ist auch die geplante Verkleinerung von Nationalrat und Bundesrat ab der nächsten Legislaturperiode. Für den Bundesrat braucht die Koalition die Unterstützung zumindest einer Oppositionspartei. Denn die Zahl der Bundesräte ist in der Verfassung vorgegeben. Für die Reduktion der Nationalratsmandate von 183 auf 165 reicht zwar die einfache Mehrheit, es ist aber fraglich, ob die Regierung in so einer Frage einfach über die Opposition drüberfahren würde. Diese Maßnahmen sind im Sparpaket mit keinem bestimmten Sparbeitrag eingespeist.

Beamte

Um die Zustimmung der Beamtenvertreter wurde bis zuletzt gerungen. Sie verwahrten sich gegen einen Sparbeitrag von 2,7 Milliarden Euro und drohten via KURIER gar mit Streik, sollten die Koalitionäre ihre Pläne eigenmächtig umsetzen.

Freitag Vormittag kam die Erfolgsmeldung. Man habe sich „grundsätzlich“ mit der Regierung geeinigt, ließ der schwarze Beamtengewerkschaftsboss Fritz Neugebauer wissen. Er urlaubte, war telefonisch mit dem VP-Chef handelseins geworden. Die Beamten, so Neugebauer am Freitag in der ZiB2 , müssten nun nur 1,8 Milliarden statt der „unverhältnismäßigen 2,7 Milliarden“ beitragen. Ob die 1,8 Milliarden über eine Nulllohnrunde oder anders eingespart werden, wolle er nach Rückkehr aus dem Urlaub verhandeln.

Auch Neugebauers rote Stellvertreter, die vor Ort die Stellung hielten, sind besänftigt. „In bestehende Rechte wird nicht eingegriffen. So wird kein Biennalsprung (automatische Gehaltssteigerung alle zwei Jahre) gestrichen. Außerdem ist beim Sparpaket eine gesamtgesellschaftliche Balance vorhanden“, sagt der SP-Beamtengewerkschaftsvize Peter Korecky.

Ja mit Vorbehalt sagen auch die sozialdemokratischen Gewerkschafter. ÖGB-Vize-Chefin Sabine Oberhauser zum KURIER: „Der Weg, den die Regierung eingeschlagen hat, wird von uns mitbeschritten.“ Endgültig zu urteilen sei aber erst, wenn der Budget-Entwurf als Gesetz vorliege. „Bei den Korridor-Pensionen wollen wir prüfen, ob Härten entstehen.“ Und: „Erbschafts- und Schenkungssteuer bleiben für uns auf der Agenda.“

Einsparungen Sparziel (in Euro) Steuereinnahmen Sparziel (in Euro)
Geringere Pensionserhöhungen und höheres Antrittsalter bei den Frühpensionen 7,8 Milliarden Aus für Spekulationsfrist bei Immobilien, Einführung einer Umwidmungsabgabe 1,6 Milliarden
Eine Nulllohnrunde für Beamte, Aufnahmestopp und gelockerter Versetzungsschutz 2,7 Milliarden „Solidarbeitrag“: Urlaubs- und Weihnachtsgeld wird bei Spitzenverdienern höher besteuert 400 Millionen
Kosten des Gesundheitssystems wachsen nicht mehr schneller als die Gesamtwirtschaft 1,8 Milliarden Unternehmensverluste im Ausland sollen im Inland nur mehr begrenzt absetzbar sein 300 Millionen
Kürzungen bei Infrastrukturprojekten und im operativen Betrieb der Bundesbahnen 1,4 Milliarden Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage bei der Sozialversicherung 300 Millionen pro Jahr
Neue Förder-Pyramide bringt Aus für Doppelförderungen zwischen Bund und Ländern 800 Millionen Mineralölsteuer für „Agrardiesel“ wird vom Staat nicht mehr zurückgezahlt 80 Millionen pro Jahr
Summe: 14,8 Milliarden Summe: 2,68 Milliarden
Gesamtvolumen des Sparpakets für 2012: 17,48 Milliarden
Verhältnis Einsparungen : Steuereinnahmen 82 : 18
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