Die Republik spart: Bilanz – und was noch kommt

Rund 26 Milliarden Euro schwer ist das von Rot und Schwarz geschnürte Sparpaket.Nach langen, schwierigen Verhandlungen haben die Regierungsparteien am Freitagabend das Sparpaket präsentiert. Doch auch wenn die Regierung jubelt - ein Drittel der beschlossenen Spar- und Steuermaßnahmen sind noch gar nicht gesichert. Wen das Sparpaket am heftigsten trifft, lesen Sie hier im Detail.
Beamte, ÖGB und Vertreter der Landwirte wollen das Kleingedruckte im Sparprogramm noch begutachten. Und die Industriellenvereinigung beklagt, dass es neue Steuern geben wird. Auch die Opposition ist unzufrieden und vermisst echte Reformen. Die ersten Reaktionen zwischen Lob und Kritik.
Die Parteichefs halten eisern am Sparpaket fest. Im KURIER-Interview erklärt das Regierungsduo Faymann und Spindelegger wo sie nicht locker lassen wollen:
Faymann: „Erbschaftssteuer bleibt auf der Agenda“

"Diese Forderung werden wir ganz sicher nicht streichen“, betont Bundeskanzler Werner Faymann: Die Debatte um Erbschafts- und Vermögenssteuer sei keineswegs beendet – auch wenn sie die SPÖ diesmal nicht durchsetzen konnte. Er wünsche sich weiterhin das deutsche Modell mit einer Freigrenze von bis zu einer Million Euro. Aber es sei in Ordnung, dass es eine gewisse Zeit brauche, um andere zu überzeugen. Auf die Frage, ob das ein Projekt noch für diese oder erst für die nächste Legislaturperiode gedacht sei, meint Faymann halb scherzhaft: „Man kann gar nicht früh genug damit beginnen.“ Immerhin habe die SPÖ davor auch schon Bankenabgabe, Wertpapierzuwachssteuer und Änderungen der Stiftungs- und Konzernbesteuerung durchgesetzt. Das beginne gerade zu wirken.
Mehr Superreiche
Schließlich wolle Österreich ja nicht dort enden, wo viele Länder der Welt stünden: „Hier superreiche, dort bettelarme Menschen und die Mittelschicht dazwischen zerreißt es.“ Er, Faymann, betrachte es als ständigen Auftrag, da gegenzusteuern. Ein Abtausch der Erbschaftssteuer gegen den ÖVP-Wunsch nach Studiengebühren sei für ihn nicht infrage gekommen, sagt Faymann. Man wolle das Studium nicht erschweren – auch wenn es dazu auch innerhalb der SPÖ Diskussionen gebe (so ist Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller dafür). Aber Gebühren „im alten Stil“ kommen für ihn nicht in Frage.
Vorreiterrolle
Im Sparpaket festgeschrieben ist eine Finanztransaktionssteuer – ein Modell, das am wirksamsten wäre, wenn es weltweit gelten würde, wie auch Faymann zugibt. „Internationalen Spekulanten alleine in Österreich das Handwerk legen zu wollen, ist aussichtslos. Daher ist unsere Vorreiterrolle so wichtig.“ Die Transaktionssteuer sieht er als Hebel, um jene zur Kasse zu bitten, die mit Spekulation Geld verdienen – aber den Steuerzahler die Rechnung zahlen lassen, „wenn das System zusammenbricht“. Aber werden nicht künftig echte Spekulanten begünstigt, weil bei der neuen Immobiliensteuer – ebenso wie bei der Wertpapierzuwachssteuer – die Spekulationsfrist mit hoher Besteuerung gefallen ist und jetzt eine (niedrigere) Besteuerung für alle, also auch für die langfristigen Anleger gilt? „Nein“, sagt Faymann, weil in der Vergangenheit die meisten ohnehin gewartet hätten, bis die Spekulationsfrist verstrichen sei. Und am meisten hätten jene profitiert, die von Umwidmungen begünstigt worden seien. „Die sind in Zukunft massiv erfasst. Da holen wir uns bis 2016 rund zwei Milliarden.“
Pensionen
Auch die Kritik, dass das Sparpaket zu wenig Nachhaltiges enthält – zum Beispiel eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters –, wischt Faymann vom Tisch: „Jedes Jahr, das faktisch später in Pension gegangen wird ist mehr wert als ein ideologischer Streit darüber, ob das gesetzliche Pensionsalter erhöht werden soll und ob man überhaupt die Arbeitsplätze dafür hat.“ Wobei es in Zukunft nicht ausgeschlossen sei, dass die Arbeitgeber an den Kosten beteiligt werden, die dadurch entstehen, dass Arbeitnehmer zu früh in Pension gehen. Dazu gebe es bereits Vorschläge von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. In skandinavischen Ländern müssten Unternehmer zum Beispiel ein paar Monate lang die Pension des betroffenen Arbeitnehmers zahlen. „Das ist viel nachhaltiger als bei uns, aber da hatte ich den Eindruck, dass die Sozialpartner noch nicht so weit sind.“
Stabile Koalition
Die Zeit um den Ausbruch der Finanzkrise hat Faymann übrigens als noch härter empfunden als die jüngsten Sparpaketsverhandlungen. Damals habe er noch mehr als heute bemerkt, wie wichtig eine stabile Koalition sei. Wird diese Große Koalition also auch in der nächsten Legislaturperiode um jeden Preis weitergeführt – egal, wie das Wahlergebnis dann ausschauen wird? Diesen Eindruck wehrt Faymann vehement ab, wobei er einräumt, dass die Umsetzung vieler Maßnahmen des Sparpakets mit den Freiheitlichen unmöglich wären. Die Grünen würde er aber, genauso wie die ÖVP, nie als Partner ausschließen.
Spindelegger: „Nulllohnrunde für die Beamten ist fix“

Einen Sparbeitrag von 2,7 Milliarden hatte die Regierung eingepreist. Tatsächlich verlangt sie den Staatsbediensteten bis 2016 nur 1,8 Milliarden Euro ab, etwa durch eine Nulllohnrunde 2013 und eine moderate Gehaltserhöhung im Jahr darauf. Beamtengewerkschaftschef Fritz Neugebauer sieht das als „Vorschlag“. Das sei es nicht, stellt Vizekanzler Michael Spindelegger im KURIER-Gespräch klar: „Die Nulllohnrunde für 2013 ist fix. Wie die insgesamt einprozentige Erhöhung 2014 innerhalb der Gruppe aufgeteilt wird, ist Sache der Gewerkschaft. Darüber kann man reden.“ Unumstößlich seien die Strukturmaßnahmen im Staatsdienst: „Die dürfen nicht verwässert werden.“ Spindelegger verweist auf das „Mobilitätspaket“ (Mitarbeiter können von einem Ministerium in ein anderes versetzt werden) . „Im Verteidigungsressort haben viele keine Aufgaben mehr, die können welche in einem anderen Ressort übernehmen.“
Druck
Neugebauer warnt die Minister wegen des Aufnahmestopps im öffentlichen Dienst („weniger Köpfe bedeuten weniger Leistung“). Dazu sagt Spindelegger: „Ich sehe dahinter, dass eine Drucksituation für den Dienstgeber besteht, sich neu zu organisieren. Wenn es nicht mehr 1000 Mitarbeiter gibt, sondern 950, dann muss man die Arbeit neu aufteilen, etwa Abteilungen zusammenlegen. In der Not wachsen Ideen.“ Stichwort Strukturreformen. Solche vermisst etwa IHS-Chef Bernhard Felderer. Spindelegger widerspricht: „Ich nehme zur Kenntnis, dass Experten nicht alles begeistert. Es gibt aber Strukturreformen, etwa bei den Pensionen und im öffentlichen Dienst. Und die Länder müssen eine Spitalsreform machen, weil sie sonst das Sparziel nicht erreichen.“
Die Forderung von Wirtschaftskammer-Boss Christoph Leitl, „nach dem Kassieren zu reformieren“, weil sonst bald ein neues Spar- und Steuerpaket vonnöten sei, will Spindelegger nicht als Kritik verstanden wissen: „Leitl hat im ÖVP-Vorstand für das jetzige Sparpaket gestimmt. Er hat mir auch gesagt, dass er es als ausgewogen empfindet.“
Kritik
Den Vorhalt, die ÖVP habe „Sparen, Sparen, Sparen“ propagiert, dann aber neuen oder höheren Steuern zugestimmt, lässt der Parteichef nicht gelten: „Wir haben ein Verhältnis von 76 zu 24 Prozent bei Einsparungen und Steuern. Mit diesem Prozentsatz kann ich leben.“ Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl, der die ÖVP als Verteidiger der Millionäre qualifiziert („ein Skandal“), richtet Spindelegger aus: „Manche sind nicht fähig, Fakten zu beurteilen. Es wird einen Solidarbeitrag geben – wer viel verdient, zahlt viel.“ Warum will die Politik nach der Wahl zwar zwei Minister sowie zehn Prozent der National- und Bundesratsmandatare einsparen, die saftige Parteienförderung aber nicht antasten? „Die werden wir à la longue kürzen. Es wird uns nicht erspart bleiben, da etwas zu tun. Das muss aber mit allen Parteien verhandelt werden.“ Viele Gruppen, ob Beamte, ÖGB oder Bauern, haben den Sparplan grundsätzlich goutiert, sie wollen aber die Gesetzestexte abwarten. Fürchtet Spindelegger nachträglichen Widerstand? „Den Aufschrei wird es überall geben – wenn jeder realisiert, was das Sparpaket für ihn bedeutet. Über Details kann man sprechen, Fehler ausmerzen. Die Summen stehen aber; auf diese mit Einmaleffekten zu kommen, wird nicht gehen.“
Belastung
Wie hat Spindelegger die Verhandlungen mit Faymann erlebt? „Das war ein Ritt über den Bodensee, phasenweise war es belastend, da und dort persönlich schwierig, aber wir haben es durchgestanden.“ Für beide Parteien sei die Arbeit am Sparpaket aber wichtig gewesen: „Es heißt ja immer, eine große Koalition muss große Aufgaben bewältigen. Das haben wir getan.“
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