Deutschklassen: Wien lehnt Gesetz als sinnlos ab

Jürgen Czernohorszky
Stadtrat Czernohorszky: Organisatorisch unlösbare Aufgabe. Kritik an Einsparungen im Integrationsbereich.

Die vom Bund vorgesehen Deutschklassen sind pädagogisch widersinnig, stellen die Schulerhalter vor unlösbare Aufgaben und sorgen dafür, dass bestehende Klassen zerrissen werden - davon ist jedenfalls Wien überzeugt. Bürgermeister Michael Häupl und Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (beide SPÖ) haben am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz die geplante Regelung zerpflückt.

"Dieser Entwurf ist undurchführbar", stellte Czernohorszky klar. Er bereite allen - sowohl der Verwaltung als auch Lehrern und Schülern - große Schwierigkeiten. Fast alle Wiener Volksschulkinder seien von der für Herbst geplanten Regelung in irgendeiner Form betroffen, warnte er. Aufgrund der "überstürzten" Einführung müssten rund 15.000 Kinder aller Altersstufen, die bisher eine Deutschförderung erhalten hätten, in eigene Klassen gehen. Damit würden bestehende Klassengemeinschaften zerrissen - und das immer wieder.

Tatsächlich würden die Kids aber für den Lernerfolg stabile Beziehungen brauchen, gab der Ressortchef zu bedenken. Außerdem stelle das Gesetz eine "riesengroße, unlösbare Herausforderung" für die Direktoren dar. Rund 500 Extra-Räume wären in den Pflichtschulen dafür nötig: "Woher man die Klassen nehmen soll, darüber schweigt sich die Bundesregierung aus." Es sei abzusehen, dass Bibliotheks- oder Werkräume dafür herangezogen würden, die dann nicht mehr benutzbar seien. Denn: "Zaubern kann niemand."

Auch die zu erwartenden Kosten sind laut Stadt beträchtlich. Darum werde der im Finanzausgleich vorgesehene Konsultationsmechanismus ausgelöst. Sprich: Die Mehrkosten sollen dem Bund abverlangt werden. Wobei Wien auch mit Protest anderer Länder bzw. Gemeinden rechnet. Allerdings, so wurde betont, sei das Gesetz auch bei Kostenübernahme durch den Bund nicht umsetzbar.

Massive Kritik gab es auch an der Kürzung der Integrationsmittel für die Schulen. Dies bedeute, dass rund 350 Unterstützungspersonen ab 2019 nicht mehr im Einsatz sein würden. Das Konzept der Entlastung für Lehrer werde zunichtegemacht für ein von "allen Experten abgelehntes" Projekt der separaten Deutschklassen. Czernohorszky plädierte für die Evaluierung der bestehenden Förderung. Derzeit wird bei Bedarf in kleinen Gruppen Unterricht erteilt. Wobei der Stadtrat nicht völlig ausschloss, dass Deutschklassen an manchen Standorten sinnvoll sein können. Hier zu unterschiedlichen Lösungen je nach Schule zu kommen, müsse aber möglich sein.

Wien hat auch verfassungsrechtliche Bedenken. Denn die im Pflichtschulbereich vorgesehene Ausgestaltungskompetenz der Länder werde damit beschnitten. Der Bund habe nur den Rahmen vorzugeben. Das Rathaus wird seine Bedenken auch im Rahmen der laufenden Begutachtung äußern, hieß es.

Gleichzeitig appellierte Bürgermeister Häupl an die Bundesregierung, die "Befehlsdemokratie" wieder zugunsten der "Konsensdemokratie" zurückzunehmen. Man solle wieder halbwegs vernünftig miteinander reden. Die derzeitige Vorgansweise werde, so mutmaßte er, tendenziell auch der Regierung schaden - "was aber mein geringstes Problem ist."

Der Wiener FPÖ-Vizebürgermeister Dominik Nepp kritisiert die „Blockadepolitik“ Wiens in Sachen Deutschklassen. Die Warnungen des Rathauses, wonach die Regelung nicht umzusetzen sei, zeuge von „Sturheit“. Nepp zeigt sich zudem überzeugt, dass die „sinnvolle Integrationsmaßnahme“ auch finanzierbar sei.

„Anstatt Kleinvereine zu fördern, die sich mit Integration beschäftigen, könnte man die Mittel heranziehen, um das Personal für die Deutschklassen zu finanzieren“, betont Nepp. Auch dass es organisatorisch und baulich nicht möglich sei, Klassenräume zu finden, sei unwahrscheinlich. Denn die Zahl der Schüler würde sich nicht ändern - nur die Aufteilung. Die Tatsache, dass rund ein Drittel der Schüler betroffen sei, ist laut Nepp jedenfalls eine Folge der „rot-grünen Willkommenskultur“.

„Verleugnen, verzögern, verhindern - so geht die Stadt Wien mit Problemen und konstruktiven Lösungsvorschlägen um“, kritisieren auch der nichtamtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch und ÖVP-Bildungssprecherin Sabine Schwarz. Deutschförderklassen seien gerade für Wien mit rund 16.000 außerordentlichen Schülern, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, das „Gebot der Stunde“. Auch ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer nimmt die Stadt Wien in die Pflicht. „Gerade Wien mit dem hohen Anteil an Brennpunktschulen muss die Deutschklassen als Chance sehen, langfristig gut integrierte und gut gebildete Menschen zu haben. Wien darf nicht auf der Integrationsbremse stehen und mutwillig sinnvolle Maßnahmen blockieren.“

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