Betrugsverdacht: Anklage gegen Peter Westenthaler

Nahaufnahme eines Mannes mit blondem Haar und grünen Augen.
Der Ex-Politiker und Ex-Bundesliga-Geschäftsführer wird angeklagt: Er soll Gelder zweckentfremdet haben.

Peter Westenthaler bekommt es, wie das Format berichtet, mit der Justiz zu tun: Der ehemalige FPÖ- wie auch BZÖ-Politiker wird laut einem Bericht des Magazins wegen Betrugsverdachts angeklagt.

Westenthaler soll als Geschäftsführer der Fußball-Bundesliga – er war von Februar 2003 bis August 2004 Manager der obersten Spielklasse – Gelder zweckentfremdet haben. Dies hatte der KURIER bereits Ende 2010 aufgedeckt (siehe unten). Konkret geht es in den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft um eine "Sonderförderung in der Höhe von einer Million Euro an die Österreichische Fußball-Bundesliga, welche ursprünglich für die Nachwuchsförderung gedacht war", zitiert Format die Anklagevertretung. Diese Million soll Westenthaler "zweckwidrig für die Begleichung einer Finanzschuld der Österreichischen Fußball-Bundesliga verwendet" haben.

Bundesliga-Sanierung

Der KURIER schrieb damals: "Der Deal, der die Bundesliga sanierte, sieht wie folgt aus: Die Bundesliga bezahlt offiziell an das Finanzamt den vollen Schadenersatz. Durch die Hintertür fließt das Geld jedoch in Form einer Sonderförderung, die über den Österreichischen Fußballbund (ÖFB) abgewickelt wird, wieder zurück an die Bundesliga. Fertig ist das Geld-Karussell, das sich unbemerkt für die Öffentlichkeit dreht."

Weil der Ex-Politiker "diese Sonderförderung durch Täuschung über den Verwendungszweck erlangt" habe, soll er "die Republik Österreich an ihrem Vermögen geschädigt" haben. Die Anklage stütze sich dabei auf ein Gutachten eines Sachverständigen und einen Bericht des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung: "Wir erheben Anklage gegen Peter Westenthaler wegen schweren Betrug", wird Erich Mayer, Sprecher der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, zitiert.

"Völlig absurd"

Westenthaler bestätigt den Erhalt der Anklageschrift in einer Aussendung – und spricht davon, dass diese „völlig absurd“ sei und sich zudem mehrfach widerspreche. Er habe seinen Anwalt Thomas Kralik beauftragt, Einspruch zu erheben.

"Die absurde Anklageschrift ist nichts anderes, als eine persönliche Abrechnung der politischen Staatsanwaltschaft gegen mich. Ich habe mir vor 11 Jahren als Bundesligavorstand absolut nichts zu schulden kommen lassen, habe stets transparent und völlig korrekt im Sinne des österreichischen Fußballs gehandelt und werde daher auch meine Unschuld beweisen", so Westenthaler.

Strafrahmen: Zehn Jahre

Der Strafrahmen für ein solches Delikt – ihm wird sowohl Betrug (Paragrafen 146) als auch schwerer Betrug (Paragraf 147) vorgeworfen – liege bei bis zu zehn Jahren Gefängnis, heißt es weiter.

Für Westenthaler gilt die Unschuldsvermutung.

Karl-Heinz Grasser. Ein eleganter Tänzer auf zahlreichen Parketten und ebenso vielen Hochzeiten. Kitzbühel, Opernball, Meinl-Yacht. Privatisierung, Investment, Beratung. Wer so viel tanzt wie der ehemalige Finanzminister, der läuft Gefahr, irgendwann auszurutschen. Mit den aktuellen Folgen: Wenn der Freund und Trauzeuge laut Telefonüberwachung "supernackt" dasteht, dann erleidet Mister Nulldefizit, der als Minister stets "supersauber" gearbeitet haben will, zumindest einen Gesichtsverlust. Die Frage nach der strafrechtlichen Relevanz beschäftigt die Justiz.

Eine schöne Bescherung. Dabei hat es Karl-Heinz Grasser nicht nur mit seinen engen Freunden gut gemeint. Auch im Fußball zeigte sich der Finanzminister von edler Gönnerhaftigkeit, nachdem Klubpräsidenten im Überschwang der Emotionen in den Strafraum der Finanzbehörden gestürmt waren. KURIER-Recherchen ergaben, dass unter der Ägide von KHG nicht nur einzelne Vereine vor dem totalen Crash bewahrt wurden. Auch die Bundesliga als Dachorganisation selbst hätte ohne kreative Lösung mit Grassers Finanzministerium möglicherweise den Gang zum Insolvenz-Richter antreten müssen. In Summe geht es um mehrere Millionen Euro aus Steuergeldern, die in die Sanierung der Baustelle Profifußball flossen.

Millionenklage

Die Vorgeschichte: Der FC Tirol bleibt in den Jahren vor 2002 der Finanz Millionen an Steuern schuldig. Das Finanzamt pfändet daraufhin die Fernsehgelder des Klubs, die über die Bundesliga ausgeschüttet werden. Die Bundesliga bezahlt aber trotz Pfändung nicht an das Finanzamt. Sondern an den FC Tirol.

Doch der FC Tirol ist nicht mehr zu retten. Der Konkurs über den Verein wird eröffnet (Juni 2002), die Steuern sind damit verloren. Also bringt die Republik eine Klage auf Schadenersatz gegen die Bundesliga ein. Begründung: Verbotene Auszahlung der Fernsehgelder an den FC Tirol trotz Pfändung. Klagsforderung: 1,6 Millionen Euro.

Da trifft es sich gut, dass der neue Bundesliga-Vorstand für Marketing und Lobbying seit Kurzem Peter Westenthaler heißt. Der ehemalige FP-Klubchef der schwarz-blauen Regierung hatte eben erst seinen Hut genommen und sorgte fortan im Fußball für originelle Einfälle.

Der Deal, der die Bundesliga sanierte, sieht wie folgt aus: Die Bundesliga bezahlt offiziell an das Finanzamt den vollen Schadenersatz. Durch die Hintertür fließt das Geld jedoch in Form einer Sonderförderung, die über den Österreichischen Fußballbund (ÖFB) abgewickelt wird, wieder zurück an die Bundesliga. Fertig ist das Geld-Karussell, das sich unbemerkt für die Öffentlichkeit dreht.

Streng vertraulich

Der delikate Deal lief unter dem Siegel strengster Vertraulichkeit ab. Nur die Spitzen des ÖFB – hoch nervös – und jene der Bundesliga waren involviert. Der Aufsichtsrat vermied wohlweislich die Protokollierung dieses Geschäftes zulasten des Steuerzahlers.

"Intern hat Westenthaler damals gesagt: ‚Das funktioniert aufgrund meiner guten Kontakte zum Finanzministerium‘", bestätigt ein Beteiligter dem KURIER.

Das streitet Westenthaler gar nicht ab. "Mit der Finanz kann man ja verhandeln. Natürlich habe ich Druck aufgebaut und gedroht: Ich mache eine Pressekonferenz und sage: Danke, Finanzministerium, wegen euch gibt es keinen Profi-Fußball mehr!" Doch an eine besondere Förderung via ÖFB will sich Westenthaler nicht erinnern. "Und mit Grasser direkt hatte das nichts zu tun."

Auch Karl-Heinz Grasser lässt über seinen Anwalt Manfred Ainedter dementieren: "Das stimmt so nicht. Ich selbst habe mit der Geschichte nichts zu tun gehabt. Das ist auf Beamtenebene abgelaufen."

Zeitzeugen berichten jedoch, dass auch Grasser bei einem Gespräch mit Westenthaler und Bundesliga-Anwälten im Ministerium mit von der Partie war.

Doppelpass Tatsache ist: Unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser war die Finanzverwaltung ausgesprochen fußballfreundlich. Zur selben Zeit half die Bundesliga auch Westenthalers Kumpel Hannes Kartnig aus der Patsche, der sich als Sturm-Graz-Präsident mit einer Steuernachforderung von mehr als vier Millionen Euro konfrontiert sah. Wieder wurden die guten Drähte ins Finanzministerium aktiviert. Wieder wurde die Not gelindert – dem Verein Sturm Graz wurden rund vier Millionen erlassen. Aber auch diese Operation rettete den Patienten Sturm nicht vor dem Exitus.

Dabei hatte Sturm-Präsident Hannes Kartnig bis zur Konkurseröffnung im Spätherbst 2006 gedacht, er würde rechtzeitig gewarnt werden. Vom Minister persönlich. Seiner Untersuchungsrichterin erklärte Kartnig: "Karl-Heinz Grasser hat mir zugesagt, dass ich einen Anruf erhalten würde, bevor ein Konkursantrag eingebracht werden würde."

Pech nur, dass die zuständige Finanzbeamtin gerade auf Urlaub weilte – und Kartnig dadurch nicht vorinformiert werden hatte können.

Grasser sagt dazu: "Kartnig hat mich am Rande einer öffentlichen Veranstaltung auf seine Causa angesprochen. Ich habe ihn an meine Beamten verwiesen. Ein völlig normaler Fall. Ein Bürger spricht einen Minister an – dieser verweist auf die zuständigen Beamten und ersucht, den Fall zu prüfen."

Notbremse Wie dem auch sei: Die stillen Sportsfreunde rund um den damaligen Finanzminister merkten bald, dass ein Fußballpräsident die ganze Hand will, wenn man ihm den kleinen Finger reicht. Grassers Kabinettschef Matthias Winkler zog ob weiterer dreister Begehrlichkeiten in Millionenhöhe bald die Notbremse. Von ihm ist der Satz überliefert: "Wir sind ja nicht die Steuerberater der Fußballvereine."

(Von Rainer Fleckl)

Grasser: Vom Finanzminister zum Kriminalfall

Ein seltsamer Geldkreislauf: Die delikate Angelegenheit rund um die finanzielle Errettung der österreichischen Fußball-Bundesliga nahm ihren Anfang mit dem Crash des Vereins FC Tirol im Jahr 2002.

Juni 2002: Über den Fußballklub FC Tirol, der Millionen an Steuern schuldig blieb, wird der Konkurs eröffnet. Die Republik klagt in der Folge die Fußball-Bundesliga auf 1,6 Millionen Euro Schadenersatz. Begründung: verbotene Auszahlung der TV-Gelder an den FC Tirol trotz Pfändung durch die Finanz.

5. Dezember 2002: Ex-FPÖ-Politiker Peter Westenthaler wird auf Wunsch von Bundesliga-Präsident und Magna-Chef Frank Stronach als zweiter Vorstand der Bundesliga neben Thomas Kornhoff installiert. Der damals 34-jährige Westenthaler wird vor allem für Marketing und Lobbying geholt.

1. März 2003: Vizekanzlerin und Sportministerin Susanne Riess-Passer und Friedrich Stickler, Präsident des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB), unterzeichnen einen Vertrag. 1,8 Millionen bezahlt der Bund für das Nachwuchsprojekt "Challenge 2008". Die besten Talente Österreichs sollen gefördert werden – im Sinne einer erfolgreichen Europameisterschaft.

17. Juni 2003: Offizieller Startschuss für das Challenge-Projekt. Präsident Stickler spricht von einer "Talenteförderung, wie sie Österreich noch nie gehabt hat."

17. November 2003: Laut Aufsichtsratsprotokoll der Bundesliga haben die alten Parteifreunde Westenthaler und Finanzminister Grasser höchstpersönlich einen Deal zur Behebung der Bundesliga-Schulden ausgeheckt. Ein Vergleich wird geschlossen: Die Bundesliga muss nur 1,2 statt 1,6 Millionen Schadenersatz zahlen (1 Million davon sofort). Im Aufsichtsratsprotokoll heißt es u.a. "Westenthaler erläutert das Vergleichsangebot und die damit verbundenen Bedingungen, welche zwischen ihm und Bundesminister Grasser vereinbart wurden." Nun fliegt auf: Durch die Hintertür sollte die Million in Form einer Jugend-Sonderförderung wieder bei der Hintertür der Liga hereinfließen. Förderungen müssen aus rechtlichen Gründen offiziell über die Dachorganisation, also den ÖFB fließen.

3. Dezember 2003: Der Nationalrat beschließt im Parlament offiziell ein Budgetüberschreitungsgesetz. Darin heißt es, dass der ÖFB besagte weitere Million Euro für das Nachwuchsförderungsprojekt "Challenge 2008" erhalten wird. Als Ziel dieser Förderung wird eine "wettbewerbsfähige Nationalmannschaft" formuliert. Die Million Euro soll zwecks Jugendförderung an die Bundesliga weitergeleitet werden.

19. Dezember 2003: Sportstaatssekretär Karl Schweitzer berichtet Bundesligavorstand Peter Westenthaler vom Beschluss des Nationalrates, wonach eine zusätzliche Million Euro gewährt wurde.

22. März 2004: Laut einer schriftlichen Vereinbarung wandert diese zusätzliche Million vom ÖFB an die Bundesliga. Offiziell zweckgewidmet für das Projekt "Challenge 2008". Das Geld ist allerdings niemals einer Nachwuchsförderung zugute gekommen, sondern wie geplant an die finanziell angeschlagene Profiliga geflossen, damit diese die Finanzschuld (FC Tirol) bezahlen kann.

6. August 2004: Westenthaler wechselt in Stronachs Magna-Konzern.

25 Dezember 2010: Der KURIER enthüllt die dubiosen Vorgänge.

21. Jänner 2011: Der Grüne Abgeordnete Peter Pilz bringt eine parlamentarische Anfrage zu den Vorfällen ein. Pilz will wissen, wie es zu der "Täuschung des Nationalrates und des Missbrauchs der Fördermillion" kommen konnte und ersucht Finanzminister Pröll um Aufklärung.

Mai 2014: Es wird Anklage gegen Peter Westenthaler erhoben.

Kommentare