"Asyl auf Zeit": Kritik auch aus den eigenen Reihen

Eine Gruppe von Menschen steht vor einem Zelt der Bundespolizei.
Regierung sieht Verschärfung als "Signal". NGOs laufen Sturm.

Die Verschärfung des Asylrechtes, die ein "Asyl auf Zeit" bringen soll, wird schon am 15. November gelten. Die Regierung erwartet sich davon laut eigenen Aussagen vor allem eine Signalwirkung - und zwar sowohl an die eigene Bevölkerung als auch an jene, die sich eine Flucht nach Europa überlegen. Mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Zahl der Flüchtlinge rechnen Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nicht. "Ich erwarte mir nur - aber auch das ist wichtig -, der Bevölkerung zu zeigen, Asyl ist etwas auf Zeit Bestimmtes", sagte Faymann. Es gehe darum, zu zeigen, dass die Regierung dies auch ernst nehme.

Mitterlehner sagte - wie schon zuvor Innenministerin Johanna Mikl-Leitner - , er sehe in der Maßnahme einen Fortschritt, "weil klar dokumentiert wird, dass das Asylrecht auf seine Kernelemente ausgerichtet wird". Es gehe darum, eine Trennlinie zu ziehen zwischen jenen, die zu schützen sind und jenen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa kommen.

Dass künftig nach drei Jahren auf jeden Fall der Asylgrund überprüft werden soll (es sich um eine Soll -und nicht wie bisher nur eine Kann-Bestimmung handeln wird), bedeute zwar einen enormen Verwaltungsaufwand, sei aber "die einzige Möglichkeit, ein Signal abzugeben, dass eine bestimmte Belastungsgrenze erreicht ist", sagte der ÖVP-Chef. Es gelte auch, jenen, die sich eine Flucht nach Europa überlegen, zu signalisieren, dass dieser Schritt keine sichere Sache sei, "sondern mit einem Rückführungsrisiko verbunden ist".

Besonders umstritten ist im Gesetzespaket, das am Montag in Begutachtung gegangen war, jener Passus, wonach bei subsidiär Schutzberechtigten künftig die Familie erst nach drei Jahren nach Österreich geholt werden darf. Derzeit beträgt die Wartefrist nur ein Jahr.

Zurück zur Außengrenze

Faymann berichtete auch von intensiven Verhandlungen mit der Türkei, um die Sicherung der EU-Außengrenzen voranzutreiben. "Wir wollen, dass an den europäischen Außengrenzen Ordnung herrscht." Asyl sollte grundsätzlich "nicht erst irgendwo geschehen", sondern an den Außengrenzen. Die EU werde sich finanziell auch an einer besseren Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei beteiligen, es gehe dabei um eine Größenordnung von zwei bis drei Mrd. Euro.

Auch müsse man sich auf internationaler Ebene mit der Frage beschäftigen, wie man Flüchtlingen, die sich via Schlepper "selbstständig machen", das Leben rettet und dann auch dafür sorgt, dass diese wieder in die Aufnahmezentren in der Türkei oder in Griechenland zurückgebracht werden. Und hinsichtlich der Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU brachte Faymann einmal mehr auch finanzielle Konsequenzen für jene Staaten ins Spiel, die keine bzw. nur wenige Flüchtlinge aufnehmen wollen.

Kein Rückstau

Von einem großen Rückstau der Flüchtlinge, die nach Deutschland weiterreisen, wollte der Kanzler nicht sprechen: "Wenn rund 400.000 Menschen seit September durch Österreich nach Deutschland gefahren sind, und der Rückstau beträgt rund 9.000, dann ist von schlechter Zusammenarbeit mit Deutschland nicht die Rede." Mitterlehner sagte dazu, es gebe das Problem, dass Deutschland "im Zeitverlauf" weniger aufgenommen hat als nach Österreich gekommen sind. Er erwarte sich, dass das "Grenzmanagement" mit Deutschland besser ausgerichtet wird, auch mit Slowenien.

Bitte warten!

Von den anderen Regierungsmitgliedern kommt teils Unterstützung, teils Kritik für "Asyl auf Zeit". Das sei "aufgrund der Gesamtsituation eine vertretbare Maßnahme", so Verteidigungsminister Klug. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder will die Begutachtung zu der Gesetzesnovelle abwarten, warnte am Dienstag vor dem Ministerrat gegenüber Journalisten jedoch vor einem "Bürokratiemonster". Auch solle man mit den Änderungen "nicht vorgaukeln, dass es weniger (Asylwerber, Anm.) werden", so der Klubchef.

Mehr als skeptisch äußert sich Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely. Die Pläne seien zwar "kein Drama, aber schon gar keine Lösung - weder für die Österreicherinnen und Österreicher noch für die Flüchtlinge". Vielmehr handle es sich um eine Alibiaktion, meinte sie im Gespräch mit der APA. Konkret befürchtet Wehsely, dass durch "Asyl auf Zeit" eine Art "Integrationswarteraum" geschaffen werde - quasi unter dem Motto, man müsse jetzt einmal nichts machen, weil man ohnehin nicht wisse, ob die Flüchtlinge bleiben. Aber genau das geht aus Sicht der Sozialstadträtin gar nicht.

Auch von der Opposition kommt Kritik: Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar hält die Einführung für "unnötig", da es diese Möglichkeit zu einer Überprüfung des Asylstatus jetzt schon gebe. Bei einer Pressekonferenz zum Hypo-U-Ausschuss meinte Lugar Dienstagfrüh, wenn jemand drei oder fünf Jahre in Österreich lebe und hier ausgebildet und integriert werde, sei es keine gute Idee, ihn wieder nach Hause zu schicken.

Ähnlich sieht das auch die Caritas: "Wenn Menschen nach drei Jahren in Österreich Fuß gefasst haben, ist es weder menschlich richtig noch volkswirtschaftlich sinnvoll, sie wieder weg zu schicken", so Präsident Landau in einer Aussendung. Auch Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger glaubt, dass "Asyl auf Zeit" die Integration erschwere. Christoph Pinter, Leiter der UNHCR-Stelle in Österreich, fürchtet, dass nun Familien für viele Jahre oder auch für immer auseinandergerissen werden könnten. Diakonie-Direktor Michael Chalupka erwartet, dass sich, aus Angst getrennt zu werden, in Zukunft noch viel mehr Familien "in Gefahr bringen und gemeinsam die Flucht antreten".

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