Als Kanzler Kurz den Google-Milliardär traf

Als Kanzler Kurz den Google-Milliardär traf
Eric Schmidt erklärte Kurz vor Publikum, was Europa tun muss, um bei der Digitalisierung dranzubleiben. Und war er vom Scheitern schwärmt.

Vorne links, in der ersten Reihe im Audimax, sitzt der Bundeskanzler der Republik und hört jetzt einfach einmal zu.

Das Zuhören gehört zu den unumstrittenen Stärken des Sebastian Kurz, soweit sind sich Freund wie Feind seit Jahren einig.

Im konkreten Fall fällt es dem Regierungschef aber besonders leicht zu lauschen. Denn vorne auf der Bühne steht Herr Schmidt. Und Herr Schmidt hat viel zu sagen.

Auf den ersten Blick sieht man das dem 63-jährigen US-Amerikaner so gar nicht an: Schmidt legt keinen Wert auf exquisite Kleidung. Sein Sakko passt farblich nicht zur Hose, die blau gestreiften Socken korrespondieren nicht mit seinem roten Pulli; und zudem verzichtet der gelernte Programmierer auf eine allzu gestelzte Rhetorik. Er trägt nicht vor sich her, was er kann, hat oder tut.

Tatsächlich aber gehört Eric Schmidt zu den spannendsten Managern des Planeten. Er war jahrelang Chef des zweitwertvollsten Konzerns der Welt, Google; er hat 11,7 Milliarden Euro Privatvermögen erwirtschaftet; und er zählt zu den wenigen Wissenschaftern, die glaubhaft vermitteln können, wohin Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in den nächsten Jahren führen.

Insofern also logisch, dass „Innovation“ das Stichwort ist, zu dem Schmidt und der Kanzler sprechen.

In seinem Impuls-Referat hält Sebastian Kurz ein Plädoyer für den liberalen Rechtsstaat. Er erklärt, warum die türkis-blaue Regierung bei den Themen Sicherheit und Bildung investieren und die Steuerlast senken will. Doch es vergehen nur wenige Minuten, dann überlässt Kurz dem US-Amerikaner die Bühne.

Eric Schmidt

Dieser dankt es erst mit Lob („ Österreich hat einen der dynamischsten und konsequentesten Regierungschefs überhaupt“) und dann mit einigen aufrüttelnden Thesen.

Eine hört sich so an: „Bei Google haben wir besonders gerne Unternehmer angestellt, die pleite gegangen sind.“ Klingt seltsam? Nicht für Eric Schmidt: „Wer scheitert, der hat viel probiert, hat viel Erfahrung. Nur so gelingt innovatives Unternehmertum.“

Eine andere These des US-Amerikaners ist die: Roboter-Ärzte machen weniger Fehler als menschliche. „Wenn ich einen seltsamen Fleck auf meiner Hand entdecke, lasse ich mich lieber von einem Computer diagnostizieren als von einem menschlichen Hautfacharzt.“

Um das zu verstehen, muss man wissen, dass Schmidt zuvor erklärt hat, wie Künstliche Intelligenz arbeitet: „Ein Computer sieht sich Millionen Bilder von Hautkrebs an und diagnostiziert dann viel präziser als jedes menschliche Auge.“

Offene Grenzen

Nicht in allem ist Schmidt sattelfest oder am letzten Stand. Eingangs etwa erklärt er, was er an Österreich so schätzt: „Der Vorteil eines kleinen Landes ist, dass man mit den Nachbarn handelt, sich austauscht. Ihr Österreicher habt einfach den Wert von offenen Grenzen und Migration erkannt.“ Raunen im Publikum, vereinzelt ist Lachen zu hören.

Schmidt ist schon am Sprung zum nächsten Termin, da fragt ihn ein Student: „Was sollen wir denn jetzt machen, wir Europäer? Sollen wir einfach kopieren, was Konzerne wie Apple oder Google in den USA tun?“

Schmidt lächelt. „Ihr müsst euer Bildungssystem umbauen, vor allem aber müsst ihr eure Haltung ändern. Viele meiner Freunde haben drei, vier Unternehmen gegründet, bevor ihre Idee wirklich zünden konnte. Mehr Mut zum Scheitern, mehr Mut zum Risiko!“

Wenn es eine Stelle gibt, an der der Politiker Kurz dem Wissenschafter und Manager Schmidt widersprechen könnte, dann ist es am ehesten diese. Mut zum Scheitern? In der Tagespolitik ist das undenkbar. Aber Sebastian Kurz verkneift sich jeden Zwischenruf. Wie schon gesagt: Er ist ein guter Zuhörer.

Google Talk WU

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