Ärztekammer sieht Gesundheitsversorgung in Wien massiv gefährdet

Die Wiener Ärztekammer sieht die Gesundheitsinfrastruktur in der Bundeshauptstadt am Rande des Abgrunds. Ineffizienz, mangelnde Investitionen und fehlende Strategie verursachten eine immer größere Unzufriedenheit bei Ärzten und Patienten, hieß es am Dienstag bei der Präsentation des "Gesundheitsinfrastrukturreports 2025". Das soziale, solidarisch finanzierte Gesundheitssystem sei massiv gefährdet. In Sachen Kassenvertrag gibt sich die Kammer streikbereit.
Gerade einmal fünf Prozent der 1.230 befragten Ärztinnen und Ärzte sind laut dem Report mit der Gesundheitsinfrastruktur Wien "sehr zufrieden". Vor sieben Jahren waren es noch 17 Prozent. Wenig Zeit für die Patienten, lange Wartezeiten, überfüllte Spitalsambulanzen und Ärzteabwanderung werden als größte Probleme wahrgenommen. 82 Prozent attestieren der Gesundheitspolitik Wiens Strategielosigkeit, und nur noch 15 Prozent (nach 44 im Jahr 2018) sehen ausreichend Investitionen in diesem Bereich. Die größten Verbesserungspotenziale werden im niedergelassenen kassenärztlichen Bereich wahrgenommen.
Immer weniger Kassenärzte
Alarmierend ist aus Kammersicht der Rückgang der Gesundheitsinfrastruktur, vor allem im Verhältnis zur wachsenden Bevölkerung, wie auch Report-Autor David Ungar-Klein ausführte. So wuchs Wien von 2010 bis 2025 um rund 20 Prozent auf mehr als zwei Mio. Einwohner, während die Zahl der Kassenärzte um 11,75 Prozent auf 1.539 sank. Ähnlich sei die Situation in den Spitälern: von 2020 bis 2025 nahm die Zahl der Betten in den öffentlichen Krankenanstalten um 6,4 Prozent ab, während die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um 6,1 Prozent stieg.
"Es geht sich nicht mehr aus", meinte daher Eduardo Maldonado-González, Vizepräsident der Kammer und Kurienobmann der angestellten Ärzte. "Es gibt niemanden, der die Patienten übernimmt", kritisierte er das Hin- und Herschieben zwischen dem stationären und dem niedergelassenen Bereich: "Der Streit der Finanzierung wird auf dem Rücken der Patienten ausgetragen."
Flucht aus dem System
Ähnlich seine Kollegin Naghme Kamaleyan-Schmied, Kurienobfrau im niedergelassenen Bereich und ebenfalls Vizepräsidentin. Die Menschen wünschten sich eine starke wohnortnahe Kassenmedizin, die Ärzte attraktive Rahmenbedingungen und eine faire Honorierung ohne Deckelungen. Doch sowohl Patienten als auch Ärzte flüchteten aus diesem System, weil es nicht mehr funktioniere. Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart forderte daher, die Ärzte in die strategische Planung des Gesundheitssystems einzubinden.
In Sachen Kassenverhandlungen mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) erklärte Kamaleyan-Schmied, dass man gesprächsbereit sei, "aber wenn wir keine Lösung finden, wäre ein Streik auch notwendig". Ohnehin fordere man angesichts der derzeitigen Situation nur einen Inflationsausgleich, wissend, dass man in den vergangenen Jahren nicht so gut abgeschlossen habe wie andere Berufsgruppen. Unter den Ärzten gebe es "vulnerable Fachgruppen, die es nicht mehr schaffen", wie sie betonte: "Der Druck der Kollegen auf mich ist sehr stark." Ihr sei bewusst, dass die ÖGK dies finanziell nicht stemmen könne. Die Forderung der Vizepräsidentin daher: "Die Bundesregierung muss mehr Geld in die Hand nehmen."
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