"Im untersten Viertel in Europa angesiedelt"
KURIER: Wie ist die Situation der Allgemeinmediziner in Österreich im internationalen Vergleich?
Manfred Maier: Leider sind wir in allen wichtigen Bereichen – in der Grundausbildung der Studenten, der anschließenden spezifischen Ausbildung zum kompetenten Allgemeinmediziner und auch in der angewandten Forschung – im untersten Viertel in Europa angesiedelt. In England gibt es viele Fachärzte, die eine zweite Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner machen, weil sie als solche deutlich besser verdienen. Bei uns ist es genau umgekehrt – sowohl, was das Finanzielle als auch das Prestige bei den politischen Entscheidungsträgern betrifft. Andere Länder haben seit vielen Jahren eine Facharztausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin.
Können Ärzte im Spital Allgemeinmedizin lernen?
Die Patienten, die der Turnusarzt betreut, sind in der Regel vom niedergelassenen Arzt ins Spital geschickt worden, weil das Problem so komplex ist, dass es in seiner Praxis nicht gemanagt werden kann. Deshalb ist es paradox, Allgemeinmediziner im Spital auszubilden. Dort sehen die Ärzte viele Erkrankungen im Vollbild – wie es auch im Lehrbuch steht. Der Allgemeinmediziner hingegen muss mit unspezifischen Frühsymptomen wie Müdigkeit und Leistungsknick umgehen können. Deshalb kämpfen wir um eine fixe Etablierung einer mindestens einjährigen Lehrpraxis im Rahmen des Turnus bzw. der Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin.
Warum heißt der Kongress "Kunst und Wissenschaft der Allgemeinmedizin"?
Bloße Kenntnis der wissenschaftlichen Entwicklungen reicht nicht aus, um ein guter Hausarzt zu werden. Ich brauche auch ein Fingerspitzengefühl und einen gewissen sechsten Sinn, um etwa auf einen Diabetes-Patienten richtig eingehen zu können, damit er da und dort seinen Lebensstil ändert und seine Medikamente auch nimmt. Sonst nützen mir die ganzen Leitlinien gar nichts.
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