Heimskandal: Neue Vergewaltigungsvorwürfe

Ein großes, helles Gebäude mit rotem Dach steht auf einer grünen Wiese.
Zwei Frauen bestätigen erstmals regelmäßige Vergewaltigungen im ehemaligen Kinderheim Wilhelminenberg.

Gab es Serienvergewaltigungen am Wilhelminenberg? Oder entsprangen sie, wie Kritiker anmerkten, bloß der Fantasie zweier Frauen, die vor einem Jahr im KURIER-Interview darüber berichteten? Vor wenigen Tagen meldeten sich – unabhängig voneinander – zwei weitere ehe­malige Heimkinder vom Schloss Wilhelminenberg, die ähnliche Erinnerungen zu Protokoll geben (mehr dazu hier).

Maria S., 55, dachte, als sie 1971 ins Heim gebracht wurde, sie sei "plötzlich Prinzessin". Ein Schloss über den Dächern Wiens. "Es war so schön weiß, die breiten Stufen ..." Bald war ihr klar, dass dies alles nur Fassade war.

Maria S. erinnert sich an eine "Schwester" (Erzieherin, Anm.), die sie in der Nacht aus dem Zimmer geholt hat. "Wir sind einen Stock tiefer gegangen." Dort seien sie in ein Zimmer mit "einigen Männern und auch Frauen" gekommen. Die Erzieherin habe sie dort abgegeben und sei verschwunden. Mit Alkohol sei Maria S. gefügig gemacht worden. "An die Vergewaltigungen kann ich mich nicht mehr erinnern, das ist alles weg." Doch ihre Schmerzen im Unterleib, aufgeschürfte Oberschenkel und zahlreiche blaue Flecken und Blutergüsse am nächsten Morgen seien ihr sehr gut in Erinnerung.

Drei bis vier Mal sei sie im Monat von der Erzieherin geholt worden. "Aber es war ja nicht nur ich, es sind ja auch andere Mädchen drangekommen." Eine davon soll Barbara R., 54, gewesen sein. Sie war auch Anfang der 1970er-Jahre im Schloss Wilhelminenberg. "Dann ist die Tür aufgegangen, eine Erzieherin ist gekommen und hat dich geholt", sagt sie. Sie sei in ein Zimmer gebracht worden: "Ein Bett oder eine Couch war drinnen, ein Tisch, zwei Fauteuil", erinnert sie sich. "Ich wurde geschlagen und vergewaltigt." Manchmal seien es zwei Männer gewesen. "Die haben gestunken. Nach Alkohol und Zigaretten", sagt Barbara R.

Syphilis

Ein Schreiben des Magistrats der Stadt Wien aus dem Jahr 1973 bezüglich möglicher Gesundheitsgefahren für Kinder.

Mittlerweile lässt sich aus Jugendamtsakten auch ein Syphilis-Fall am Wilhelminenberg belegen (siehe Faksimile). Eigenartig mutet an, dass der Kontakt zu einem infizierten Heimkind zwei weitere in den Verdacht rückte, mit dem Erreger der Geschlechtskrankheit infiziert zu sein. Wo sich das ehemalige Heimkind mit der Geschlechtskrankheit angesteckt hatte, ist noch nicht geklärt.

"Heimkinder wurden doppelt gebrochen"

Der Wiener Anwalt Johannes Öhlböck vertritt mehr als 30 ehemalige Heimkinder. Mit dem KURIER sprach er über...

... erste Erfolge

Wir haben erreicht, dass das Bewusstsein geschaffen wurde, dass Missbrauchsfälle in Heimen keine Einzelfälle waren, sondern dass der Missbrauch – flächendeckend über ganz Österreich – System hatte.

... mögliche Klagen

In fünf oder sechs Fällen habe ich bei Gericht schon Verfahrenshilfe beantragt. Das Oberlandesgericht ist aber der Meinung, dass es dafür keine Verfahrenshilfe gibt. Für ehemalige Heimkinder ist das finanzielle Risiko daher sehr groß.

... das Schicksal seiner Mandanten

Viele sind Mindest­rentner oder arbeitslos und in vielen Dingen gescheitert. Und sie wurden doppelt ge­brochen. Erst im Heim und jetzt, weil sie sich ihr Recht nicht leisten können.

... die Reaktion der Stadt Wien

In den Antwortschreiben der Stadt Wien wird noch einmal auf die Opfer hin­getreten. Dass ihre Eltern Alkoholiker waren und sie sich im Heim ohnehin gut entwickelt hätten. Auf die Vorkommnisse im Heim wird gar nicht eingegangen.

... die Aufarbeitung

Ich schätze die Arbeit der Wilhelminenberg-Kommission. Das Thema muss aber bundesweit aufgearbeitet werden. Alle Parteien sollen Experten entsenden können.

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