Glücksspiel: "Wer Pech hat, gewinnt am Anfang"

Kirschen, Zitronen, Sternchen: Das ist seine Welt. Konzentriert sitzt Günther H. vor dem grell blinkenden Spielautomat, wirft in regelmäßigen Abständen die nächste Münze ein, geht dann zum nächsten Automaten, auf dem er parallel spielt. Der 70-jährige Pensionist spielt nun schon seit rund 20 Jahren. "Mittlerweile spiele ich drei Mal die Woche. Es ist wie eine Arbeit." Seine Frau weiß von seiner Sucht, die beiden Kinder sind nicht eingeweiht.
Wenn seine Geldbörse leer ist, geht er zum Bankomaten. Gewinnen und Verlieren gehöre zu seinem Alltag dazu, erklärt er achselzuckend. Nun fordern Teile der SPÖ ein bundesweites Verbot für einarmige Banditen. Beim Bundesparteitag im Herbst soll darüber abgestimmt werden. H. macht das zornig: "Das ist vollkommen kontraproduktiv. Dann wird eben illegal im Hinterzimmer gespielt."
Es sind zu 70 Prozent Männer, die zu Izabela Horodecki kommen und bei ihr Hilfe suchen. Sie ist Direktorin des Wiener Vereins Spielsuchthilfe, der anonym und kostenlos hilft. "Wer Pech hat, gewinnt am Anfang", meint sie. 85 Prozent der später krankhaften Spieler hätten anfangs einen relativ großen Gewinn gemacht. "Auf Dauer gewinnt aber niemand", meint Horodecki. 80 Prozent kämpfen laut ihrem Forschungsbericht mit Verschuldung, jeder Zweite hat Beziehungsprobleme, jeder Fünfte keinen Job mehr.
"Die meisten Betroffenen kommen dann, wenn es bereits gravierende Probleme gibt ", erzählt sie. Druck kommt entweder von den Angehörigen – oder von der Bank. "Es geht nicht nur um Geld, es geht auch um den Verlust von Zeit, Freundschaften und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten."
Tendenz steigend

Horodecki spricht von rund 64.000 Menschen in Österreich, die "Glücksspiel-abhängig" sind. Andere Schätzungen, die die SPÖ aktuell zitiert, sprechen von 27.000 bis 50.000. Nur jeder Zehnte wagt sich früher oder später in Behandlung. Die Zahl steigt: 990 Beratungen haben Horodecki und ihr Team 2011 durchgeführt – sowohl mit Spielern als auch Angehörigen. 1989 waren es noch 290: "Wir sehen eine kontinuierlich steigende Anzahl der Betreuten." Der Grund: " Glücksspiel ist heute Teil des Alltags, das Angebot nimmt ständig zu."
70 bis 80 Prozent der Betroffenen hätten Probleme mit Spielautomaten. Immer bedeutender würden Sportwetten und Internetglücksspiel. Dem angestrebten Automatenverbot steht Horodecki mit gemischten Gefühlen gegenüber: "Verbote sind schwierig. Ich bin auch nicht für ein Alkoholverbot. Der wichtigste Punkt wäre einmal eine lückenlose Alterskontrolle." 40 Prozent ihrer Klienten hätten bereits unter 18 Jahren mit dem Spielen begonnen. Wurde dabei auch die Berufsausbildung vernachlässigt, kann sich das ab 35, 40 bitter rächen.
Stichwort Glücksspiel: Wenn das Glück in Pech umschlägt
Kleines Glücksspiel Darunter werden Spielautomaten und Videolotterie-Terminals verstanden. In Österreich stehen geschätzte 10.000 dieser Automaten. Die Zulassungen ist Ländersache. Erlaubt sind sie derzeit in Wien (läuft 2015 aus), Kärnten, Steiermark, Niederösterreich und bald auch in Oberösterreich und dem Burgenland. Spieler In Österreich gibt es (je nach Studien-Auftraggeber) zwischen 20.000 und 60.000 Spielsüchtige. Wer 2011 die Spielsuchthilfe kontaktierte, war im Schnitt mit 57.343 Euro verschuldet – bei 1387 Euro Monatsverdienst netto. Therapie Ambulante Betreuung für Spieler und Angehörige durch ausgebildete Therapeuten gibt es in Wien bei der Spielsuchthilfe (01/5441357). Das Wiener Anton Proksch-Institut bietet auch stationäre Aufenthalte (01/880100). In Linz hilft der Verein pro mente (05/055462-36522)
Beratung im Internet
-
Hauptartikel
-
Hintergrund
Kommentare