GB: Häftlinge als Callcenter-Mitarbeiter

Das britische Justizministerium plant ein ungewöhnliches Arbeitsprogramm für Gefängnisinsassen: Um ihnen den späteren Wiedereinstieg in die Gesellschaft zu erleichtern, sollen die Häftlinge künftig Callcenter innerhalb der Gefängnisse betreuen. In Werbeunterlagen für das Projekt ist bereits von einer "Resozialisierungs-Revolution" die Rede, berichtet die Zeitung Guardian, der die Dokumente zugespielt wurden.
Laut dem Bericht hat die mit dem Justizministerium kooperierende Firma UrbanData bereits im Vorjahr eine Broschüre verschickt, in der die vielen Vorteile dieses Projekts angepriesen werden. Die Unternehmen könnten mit der Teilnahme an dem Projekt ihr soziales Verantwortungsbewusstsein schärfen, heißt es darin etwa. Die wahren Lockmittel sind aber natürlich die möglichen Kostenersparnisse und der "flexible Ressourceneinsatz". Ein weiterer Vorteil: Die Knast-Telefonisten würden britischen Akzent sprechen. Eine Auslagerung der Call Center ins Ausland, etwa nach Indien, würde damit weniger attraktiv.
In einem Prospekt von ONE3ONE preist auch der britische Premier David Cameron die Vorteile von Dienstleistungsstellen und Werkstätten in Gefängnissen an. "Häftlinge, die aktiv an ihrer eigenen Rehabilitation arbeiten, leisten ihren Beitrag für die Wirtschaft im Vereinigten Königreich und damit auch einen Teil Wiedergutmachung an der Gesellschaft", so Cameron. Laut einer Sprecherin des Justizministeriums würden Häftlinge, die im Gefängnis einer geregelten Arbeit nachgehen, nach ihrer Entlassung zudem weniger oft rückfällig.
Gartenmöbel "made in prison"
Die Firma UrbanData gibt es mittlerweile zwar nicht mehr, das Projekt soll nun aber von ONE3ONE Solutions weitergeführt werden. Die Regierungs-Servicestelle unterstützt Unternehmen, die ihre Produktion oder Dienstleistungen teilweise in Gefängnisse auslagern wollen. So werden in britischen Gefängnissen bereits Uniformen und Büro- und Gartenmöbel hergestellt sowie Kopfhörer verpackt. Unter anderem vertrauen der Kurierdienst DHL und der Mischkonzern Virgin auf die Arbeitskraft von Häftlingen.
Unklar ist noch, wie viel die inhaftierten Call-Center-Mitarbeiter verdienen sollen. In Wales arbeiten Häftlinge in Call Centern außerhalb der Justizanstalten für nur 3 britische Pfund (rund 3,8 Euro) am Tag. Auch wenn das Cell Center innerhalb der Gefängnismauer steht, wird wohl nicht viel mehr dabei herausschauen. Laut Justizministerium seien 3 Pfund das Minimum, die Entscheidung müsse aber die jeweilige Gefängnisleitung treffen.
Kosten, Kosten, Kosten
Die Idee, Häftlinge als Telefonisten einzusetzen, ist übrigens nicht wirklich revolutionär: In den USA sind ähnliche Projekte bereits seit längerem in Umsetzung, berichtet der Guardian weiter. Generell habe sich in Amerika eine regelrechte "Gefängnisindustrie" entwickelt, heißt es auch in einem Beitrag des kanadischen Thinktanks Global Research. Vollzugsanstalten seien für Investoren eine wahre Goldgrube: "Sie müssen sich weder über Streiks noch über Arbeitslosenversicherung, Urlaub, Fehlzeiten oder Zeitausgleich der Mitarbeiter Gedanken machen". Das spart Zeit - und jede Menge Kosten.
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