Gauck will kranker Timoschenko helfen

Die Bundesregierung sei "in tiefer Sorge" um die Gesundheit der ukrainischen Oppositionspolitikerin
Julia Timoschenko, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP).
Danach bestätigte der Sprecher des Bundespräsidenten, Joachim Gauck werde einem Treffen der EU-Staatschefs in Jalta im Vorfeld der
Fußball-EM fernbleiben. Die Entscheidung sei im engen Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt erfolgt. Sie sei aber keine formelle Absage, weil es noch keine Zusage gegeben habe.
Damit macht Berlin jetzt mehr als jede andere EU-Hauptstadt Druck auf den altkommunistischen ukrainischen Regierungschef Viktor Janukowitsch, seine Vorgängerin und Widersacherin nach mitteleuropäischen Maßstäben zu behandeln.
Hungerstreik

Die 51-Jährige wurde von einem Kiewer Gericht in einem höchst umstrittenen Prozess wegen angeblichen Amtsmissbrauchs als Regierungschefin beim Abschluss eines Gasvertrags mit Russland zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. In Haft ist sie nun offenbar schwer erkrankt, erhält aber keine adäquate medizinische Behandlung. Timoschenko trat deshalb am Freitag in einen Hungerstreik, der die Sorge in Berlin dramatisch erhöht.
Der Zeitpunkt für die Konfrontation ist für Kiew insofern heikel, als die
EU gerade ihr Assoziationsabkommen mit der Ukraine paraphiert, also weitgehend ausgehandelt hat. Das Treffen aller Staatschefs der EU-Mitteleuropa-Staaten in der zweiten Juni-Hälfte ist für Janukowitsch die höchst willkommene Bühne, seine rückwärts gewandte, mit diktatorischen Allüren ausgeübte Politik besser dastehen zu lassen und die internationale Isolation zu durchbrechen.
Bandscheibenvorfall
Die Regierung in Berlin hatte sich bisher weitgehend erfolglos bemüht, Timoschenkos Strafvollzug erträglicher zu machen. Nach einer Untersuchung durch zwei Ärzte der Berliner Charité-Klinik leidet sie unter einem akuten Bandscheibenvorfall und psychischen Beschwerden, die vor Ort nicht wirksam behandelt werden können. Timoschenko wurde bei der Verlegung in ein lokales Krankenhaus außerdem misshandelt, wie auch der ukrainische Generalstaatsanwalt zugab.
Offenbar bemüht sich die deutsche Regierung nun intensiv, für Timoschenko eine Haftunterbrechung zur Behandlung in Berlin zu erreichen. Dass
Gauck an dem Gipfel in Jalta nicht teilnimmt und dies auch diskret über die Presse verbreitet, deutet auf ein Stocken der deutschen Bemühungen hin. Sollten diese erfolglos bleiben, könnte Timoschenko wegen ihrer geschwächten Konstitution in Lebensgefahr geraten.
Ob deutsche Politiker nun auch die EM in der Ukraine boykottieren, ist offen. Der für Sport zuständige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat sich dagegen ausgesprochen, die Drohung gilt aber als weiteres Druckmittel gegen Kiew.
Auch Fischer fehlt
Auch Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer wird dem diesjährigen Gipfel der Staatsoberhäupter Mitteleuropas fernbleiben. Wie am Donnerstag aus der Präsidentschaftskanzlei verlautete, hat Fischer die Teilnahme des Gipfels am 11. und 12. Mai in Jalta schon vor drei Wochen aus terminlichen Gründen abgesagt.
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