Frankreich: Tag der Wahlkampf-Arbeit

Ich werde bis zu letzten Sekunde der letzten Minute kämpfen, weil ich mein Land zu sehr liebe", beteuerte Nicolas Sarkozy vor zehntausenden jubelnden Anhängern, die sich am gestrigen 1. Mai auf dem Pariser Trocadero-Platz in Sichtweite des Eiffelturms versammelt hatten, um, wie der bürgerliche Präsident Frankreichs ursprünglich formuliert hatte, "die echte Arbeit" zu feiern.
"Ihr behauptet, die Arbeit zu verteidigen, aber ihr verunstaltet sie nur", schleuderte Sarkozy den Gewerkschaften entgegen, die am anderen Ende von Paris demonstrierten. "Legt die roten Fahnen nieder und rettet Frankreich", forderte Sarkozy von den Gewerkschaften. Dabei stellte der seit 2007 amtierende Staatschef ein "neues Sozialmodell" in Aussicht. Die "Regeln, die auf den Unternehmen lasten" würden sich verringern, die Sozialpartner würden "vertrauensvoll und geschmeidig miteinander verhandeln" und "ein Unternehmer-Kapitalismus den Finanz-Kapitalismus ablösen".
"Christliche Werte"

Der Staat dürfe den Besitz, den sich die Franzosen durch "ihre Opfer und Anstrengungen" geschaffen haben, nicht konfiszieren", sagte Sarkozy mit Blickrichtung auf seinen SP-Rivalen Hollande, dem er "verrückte Ausgabensucht" und "steuerliches Niederknüppeln der Mittelschichten" vorwarf. Er werde "nie die Abkapselung befürworten", aber "Frankreichs Identität" und "Europas Zivilisation" müssten durch Grenzen geschützt werden, was die EU derzeit nicht leiste. "Wir werden nie auf unsere christlichen Werte und unsere Lebensart verzichten", rief Sarkozy.
Mit dieser Emphase hofft Sarkozy einen großen Teil jener 18 Prozent der Wähler für sich zu gewinnen, die im ersten Wahlgang für Marine Le Pen gestimmt hatten. Doch die Rechtspopulistin erteilte Sarkozy gestern erwartungsgemäß eine Abfuhr. Bei einer bombastisch inszenierten Versammlung vor der Pariser Oper, an der allerdings nur ein paar tausend Personen teilnahmen, weitaus weniger als erwartet, erklärte Marine Le Pen, sie werde "weiß wählen". Ihren Anhängern ließ sie zwar die Wahl frei, verwarf aber gleichermaßen Hollande und Sarkozy. Beide würden Frankreich dem "Diktat der Banken und europäischen Technokraten" unterwerfen.
Neuer Schachzug von Le Pen

Indirekt zielten ihre Angriffe vor allem auf Sarkozy. Ihre engsten Aktivisten werden für Hollande stimmen. Sie hoffen, eine Niederlage von Sarkozy hätte das Auseinanderfallen seiner konservativen Sammelpartei UMP zur Folge, und das würde Marine Le Pen gestatten, die Führungsrolle in der Opposition zu übernehmen. Als erster Schritt gelten die Parlamentswahlen im Juni, bei denen Marine Le Pen nicht mehr mit dem Parteinamen " Front National" antreten wird, sondern als Chefin des "Rassemblement bleu marine" (Marineblaue Sammelbewegung).
Fernab vom Pariser Rummel hielt sich Umfrage-Favorit Hollande in der Kleinstadt Nevers auf. Dort begab er sich ans Grab von Pierre Beregovoy, einem Arbeiter und Gewerkschafter, der später ein hoch angesehener SP-Premier wurde – eine Gelegenheit um "alle Gewerkschafter zu würdigen, die sich mit bescheidenen Mitteln für ihre Kollegen einsetzen".
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