Frankreich: Mit 1 € bei der Wahl dabei

Frankreich: Mit 1 € bei der Wahl dabei
Alle Franzosen können am Sonntag bei der Kür des sozialistischen Kandidaten für die Präsidentenwahl 2012 mitstimmen.

Die Unterzeichnung eines knappen Bekenntnisses zu den "Werten der Linken und der Republik" sowie die Entrichtung eines Euro genügen - und schon kann jeder wahlberechtigte Franzose an der Kür des Kandidaten der französischen Sozialisten für Präsidentenwahlen 2012 teilnehmen. Frankreichs größte Oppositionspartei betritt damit Neuland. Nach dem Vorbild der US-Vorwahlen stehen bei einem öffentlichen Urnengang am Sonntag sechs Kandidaten zur Auswahl.

Als klarer Umfrage-Favorit gilt der vormalige Parteichef François Hollande. Dem 57-jährigen, stets wohltemperiert und staatsmännisch auftretenden, sozialliberalen Politiker würden 48 Prozent der Franzosen am ehesten zutrauen, "Frankreich aus der Wirtschaftskrise herauszuführen". Beim bürgerlichen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy seien das nur mehr 28 Prozent, erbrachte eine Umfrage des konservativen Magazins Le Point . Solche Befragungsergebnisse dürften auch das linke Wählervolk dazu veranlassen, bei der heutigen Abstimmung Hollande den Vorzug zu geben.

Stichwahl

Trotzdem erwartet kaum jemand, dass Hollande bereits am Sonntag die 50-Prozent-Hürde überschreiten wird, die für seine sofortige Kür notwendig wäre. Weshalb es nächsten Sonntag zu einer Stichwahl kommen dürfte. Dann aber könnten
die Karten wieder neu gemischt werden.

Tatsächlich sind Hollande zwei energische Frauen hart auf den Fersen: Die Parteivorsitzende und Bürgermeisterin von Lille, Martine Aubry, und, pikanterweise, die Ex-Lebensgefährtin und Mutter der vier Kinder von Hollande, Ségolène Royal. Die 58-jährige Landeshauptfrau einer Region in Westfrankreich, die bei der letzten Präsidentenwahl für die SP kandidierte, gilt zwar heute laut Umfragen als abgeschlagen. Ihre oft allzu eifernde Art wirkt befremdend, auch wenn sie sich namentlich in städtischen Randvierteln eine überzeugte Anhängerschaft bewahrt hat. Royal könnte sich aber in der Stichwahl mit Aubry gegen Hollande verbünden.

Atomausstieg

Die 61-jährige Martine Aubry ist um eine Spur linker und ökologischer als Hollande. Sie spricht von einem - wenn auch langfristigen - Totalausstieg aus der Atomkraft, sie ist beim Abbau der öffentlichen Verschuldung um einen Hauch weniger ehrgeizig als Hollande, sie befürwortet Maßnahmen gegen Unternehmen, die trotz Gewinns Stellen abbauen. Das nähert sie an Royal an, die die Banken besonders an die Kandare zu nehmen verspricht. Beide, Royal und Aubry, hatten ehemals Ministerposten inne - im Gegensatz zu Hollande, dem sie "Unerfahrenheit" vorwerfen. Und beide stellen Hollande, sowohl persönlich als auch politisch, als "Weichling" dar, der weder Sarkozy noch der Finanzwelt beikommen könne.
Unterstützung erhalten sie dabei von einem 48-jährigen Kandidaten, dem redegewandten Anwalt Arnaud Montebourg, der für eine sozial-ökologische "Ent-Globalisierung" und protektionistische Abschottung der EU-Industrie eintritt.
Sarkozy hofft auf einen Sieg des linken Flügels bei den SP-Vorwahlen: Er geht davon aus, dass ihm Aubry weniger Zentrumswähler streitig machen würde als Hollande.

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