Frankreich: Hollande holt die Absolute

Francois Hollande hat es geschafft: Laut Hochrechnungen errangen seine Sozialisten im zweiten Durchgang der Parlamentswahlen mit rund 314 von insgesamt 577 Sitzen die absolute Mehrheit in der französischen Nationalversammlung. Gemeinsam mit ihren grünen Koalitionspartnern, die auf 17 Sitze kamen, verfügen sie über eine noch eindrucksvollere Vormachtstellung. Außerdem entfielen zehn Sitze auf die radikale "Linksfront", die die rot-grüne Regierung zumindest punktuell unterstützen wird.
Die bürgerliche Sammelbewegung UMP kam auf 229 Mandate. Die Rechtspartei " Front National" ist zum ersten Mal seit 1986 wieder im Parlament – mit zwei Abgeordneten. Ihre Vorsitzende Marine Le Pen dürfte nach ersten Angaben von einem weitgehend unbekannten sozialistischen Lokalpolitiker knapp geschlagen worden sein. Hingegen hat die Nichte von Marine Le Pen und Enkelin des Parteigründers Jean-Marie Le Pen, die erst 22 jährige Marion Marechal-Le Pen, in Südfrankreich einen Sitz errungen.
Pech für Royal

Aber der Triumph des Regierungslagers um Präsident Hollande wurde durch einen Wermutstropfen beeinträchtigt: die Niederlage der prominenten SP-Politikerin Segolene Royal nach einem vorausgegangenen, peinlichen Eklat mit der Lebensgefährtin von Hollande, Valerie Trierweiler. Royal wurde in ihrem Wahlkreis in der Stadt La Rochelle von einem SP-Dissidenten geschlagen. Während Hollande und die SP-Führung Royal unterstützten, bekundete Trierweiler per Twitter ihre Solidarität mit dem Dissidenten – ein Eifersuchtsakt der aktuellen Lebenspartnerin des Staatschefs gegenüber Royal, der vorhergehenden Lebensgefährtin von Hollande und Mutter seiner vier Kinder.
Erwartungen
Auch aus anderen Gründen hüteten sich die SP-Spitzen gestern vor allzu schrillen Siegesrufen. In Regierungskreisen zirkulierte das Bonmot: "Das Beste ist vorüber. Jetzt beginnen die Schwierigkeiten." Frankreichs SP verfügt zwar nunmehr über eine, in ihrer Geschichte einzigartige Vormacht-Stellung, die vom Staatschef über das Parlament bis hin zu den meisten Regional- und Kommunalverwaltungen reicht – letztere hatte die SP bereits in den Jahren zuvor erobert.
Das "Syndrom der Hypermacht", vor dem der Politologe Rémi Lefebvre im Linksblatt Libération gewarnt hat, setzt die SP einer hohen Erwartungshaltung aus. Scheitert Hollande bei der von ihm angekündigten "Wiederaufrichtung Frankreichs mit Gerechtigkeitssinn", kann er sich auf keine politischen Gegner ausreden.
Auch den meisten Wählern der Linken ist klar, dass der finanzielle Spielraum der Staatsführung auf Null zusteuert. Trotzdem schwelt die Hoffnung, die neue Regierung könne die Arbeitnehmer durch steuerliche Umverteilung vor den schmerzlichsten Opfern bewahren und weitere wirtschaftliche Einbrüche durch eine zeitliche Ausdehnung der Sparmaßnahmen abfedern. Um die Hoffnung aufrecht zu erhalten, hatte die Linksregierung vor der Wahl plakative Maßnahmen beschlossen: Senkung der Ministergehälter um 30 Prozent, Gehaltsbegrenzung auf jährlich 450.000 Euro für die Direktoren öffentlicher Unternehmen, Regulierung der Mietzinserhöhungen und Senkung des Pensionsantrittsalters von 60 auf 62 Jahre für Personen, die mit einer besonders lange Berufsdauer.
Allerdings, so die Regierung, wären für den Schuldenabbau "große Anstrengungen" nötig. Diese würden steuerlich zu Lasten der Spitzenverdiener und Großvermögenseigner gehen. Zu konkreten Sparmaßnahmen bewahrte die Regierung aber Schweigen.
Die UMP erwartet einen schnellen und dramatischen Popularitätseinbruch von Hollande, wenn sich erstmals Sparschnitte der Linksregierung offenbaren und die Steuerschraube auch die Mittelschichten stärker zu spüren bekommen.
Vorerst aber leidet die UMP unter internen Machtkämpfen um die Nachfolge von Nicolas Sarkozy. Wobei sich eine eventuelle Annäherung an die Rechtsbewegung von Marine Le Pen als Streitpunkt aufdrängt.
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Hintergrund
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