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"Flohzirkus"-Direktor und Mahner gegen Rechts
IKG-Präsident Ariel Muzicant hat wie keiner seiner Vorgänger die IKG politisch vertreten und ihr eine gewichtige Stimme verschafft.
Als unermüdlicher Mahner gegen rechtsextreme Tendenzen geriet der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) nicht selten in die Schlagzeilen. Nun kündigte Muzicant, der am 12. Februar 60 Jahre alt wurde, das Ende seiner Karriere als IKG-Präsident an. Bei der Vorstandssitzung am Dienstag kommender Woche werde er nicht nur seinen Rücktritt bekannt geben, hieß es aus der IKG, sondern auch seinen bisherigen Stellvertreter, Oskar Deutsch, als Nachfolger vorschlagen.
Gewichtige Stimme
Zuletzt waren es die Demonstrationen gegen den Ball des Wiener Korporationsringes, deren Stimme Muzicant mehr oder weniger gewollt geworden war. Es war nicht das erste Mal, dass der wortgewaltige und mitunter sehr emotionale IKG-Präsident das Wort ergriff. Er beobachtete das politische Geschehen genau, kommentierte aber längst nicht alles. Wenn doch, ließ er an Deutlichkeit nichts vermissen. Weder "Kellernazis", noch antisemitische Strömungen bei Muslime-Vertretern entgingen ihm. Untergriffige Attacken, wie etwa einst durch Jörg Haider, waren oft die Folge.
Dabei hatte sich Muzicant ohnehin nicht gerade wenig Arbeit aufgehalst. Seine höchst heterogene jüdische Gemeinde nannte der Immobilien-Unternehmer liebevoll "Flohzirkus", den er zusammen zu halten hatte. Zusätzlich zu seinem Brotberuf arbeitete er 15 Stunden in der Woche ehrenamtlich für die IKG. Dabei hat er es geschafft, orthodoxe wie liberale Mitglieder anzusprechen, weshalb seine Liste Atid (hebräisch: Zukunft, Anm.) bei den Vorstandswahlen regelmäßig die meisten Stimmen erhielt. Wie keiner seiner Vorgänger hat er die IKG politisch vertreten und ihr eine gewichtige Stimme verschafft. Etwa in der Diskussion um die Erhaltung jüdischer Friedhöfe. Ganz nebenbei hat er die IKG entschuldet.
Harter Verhandler
Auch Regierungskritik äußerte Muzicant offen, vor allem wenn es um halbherzige Lösungen für seine Gemeinde ging. Engagement bewies er bei sozialen Themen wie Einwanderung, Asyl und Integration. Im interreligiösen Dialog reichten ihm oft schon kleine Zeichen. So lobte er es ausdrücklich, als Papst Benedikt XVI. mit Vertretern der IKG das Holocaust-Mahnmal am Wiener Judenplatz besuchte. Für Muslime forderte er Freiheit für Religionsausübung, wollte mit diesen aber auch stets über Differenzen sprechen können.
In Muzicants erste Amtszeit fielen die für die Gemeinde so wichtigen Entschädigungsverhandlungen mit dem Bund und den Bundesländern auf der einen und Opfer-Anwälten sowie den USA auf der anderen Seite. Muzicant trat dabei als harter Verhandler auf - was ihn aber auch zum Ziel politischer Angriffe machte wie jenem des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider, der Muzicant mit dem damals heftig kritisierten "Ariel"-Sager über Wochen in die nationalen, aber auch internationalen Schlagzeilen brachte. Nun scheinen sich die antisemitischen Töne - ob unterschwellig oder ganz direkt - etwas zurückgenommen zu haben.
Engagement schon in Jugendjahren
Ariel Muzicant wurde am 12. Februar 1952 in Haifa (Israel) geboren, lebt aber seit 1956 in Wien. Er besuchte das Lycee Francais, das er 1970 abschloss. Danach studierte er an der Universität Wien Medizin und promovierte 1976 zum Dr. Med. Turnusarzt am Wilhelminenspital war Muzicant allerdings nur ein Jahr lang, denn nach dem plötzlichen Tod seines Vaters übernahm er 1977 die Leitung der Firma Columbus Immobilien in Wien.
1994 schloss sich Columbus der internationalen Colliers-Gruppe an. Colliers-Columbus betreut die Bereiche Einzelhandelsgeschäfte, Industrie-, Anlage- und Betriebsobjekte, Zinshäuser, Büros und den privaten Sektor und zählt heute zu den führenden Maklern Österreichs. Muzicants ist alleiniger Eigentümer und Geschäftsführer des Unternehmens.
Sein Engagement in der jüdischen Gemeinde Wiens begann schon in Muzicants Jugendjahren. Von 1970 bis 1976 gehörte er der Jüdischen Hochschülerschaft in Österreich an, zwischen 1971 und 1975 war er auch in deren Vorstand vertreten - in den Jahren 1973/74 sogar als deren Präsident. Von 1975 bis 1979 fungierte Muzicant als Präsident des Dachverbandes der jüdischen Jugend in Österreich. Seit 1976 ist er in verschiedenen Kommissionen der IKG tätig.
1980 zeichnete er für die Gründung der jüdischen Schule verantwortlich, bis 1994 war er Präsident der jüdischen Schule in Österreich. 1981 wurde er Mitglied des IKG-Vorstandes sowie Vizepräsident der Kultusgemeinde. Am 21. April 1998 wurde Muzicant erstmals zum Präsidenten der IKG gekürt.
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