Experte: "Raschere Einbürgerung als Anreiz für Sprachkurse"

Migra­tionsexperte Bernhard Perchinig spricht über die Gründe der höchstgerichtlichen Urteile.

Der langjährige Migra­tionsexperte Bernhard Perchinig, tätig an der Donau-Universität Krems, über die Gründe der höchstgerichtlichen Urteile und die Konsequenzen, die daraus gezogen werden sollten.

KURIER: Was muss man wissen, um die Entscheidung der Höchstgerichte zu verstehen?

Bernhard Perchinig: Zur Zeit des Kalten Krieges bestand die damalige EG aus wenigen Staaten, alle bei der NATO. Geopolitisch wollte man die Türkei in die Nähe des Westens bringen und nicht in die der Sowjetunion. Die Türkei trat dann 1952 der NATO bei. Ab den 1960er-Jahren folgten Annäherungen an die EG über das sogenannte Assoziationsrecht, und man gab der Türkei eine Strategie in Richtung EG-Beitritt. Dieses Assoziations-Abkommen, das in den 1980er-Jahren erweitert wurde, ist zwar ein Zollabkommen, das auf eine Stärkung des wirtschaftlichen Austausches abzielt, es beinhaltet aber auch eine stärkere Mobilität für Arbeitnehmer.

Was sind die Kernpunkte bezüglich der Mobilität?

Das heißt leichterer Zugang zu Arbeitsmarkt, Aufenthaltsrecht und Familiennachzugsrecht. Für die, die sich mit dem Abkommen beschäftigt haben, war absehbar, dass es zu solche Urteilen kommen wird.

Bisher hat die Regierung nicht auf die Urteile reagiert. Was glauben Sie, warum?

Es entzieht einem wesentlichen Bestandteil der österreichischen Integrationspolitik, nämlich verpflichtenden Sprachkursen vor und nach der Einreise den Boden. Und zwar für jene große Gruppe an Zuwanderern, für die diese Verpflichtung entwickelt wurde. Die Politik weiß jetzt offenbar nicht, wie sie damit umgehen soll. Vielleicht wurde auch das Assoziationsrecht nicht ernst genug genommen.

Für Zuwanderer unterschiedlicher Herkunft gelten ab sofort unterschiedliche Bestimmungen. Welche Probleme bringt das?

Die Vorschriften, die für Zuwanderer gelten, die ja aus unterschiedlichen Ländern kommen, sind nicht mehr nachvollziehbar. Für eine Mexikanerin, die mit einem Österreicher verheiratet ist, gelten andere Regeln als für eine Türkin, die mit einem Österreicher verheiratet ist. Das steht nicht im Einklang mit einer Vorstellung von Gleichheit oder Integration.

Was wäre zu tun?

Wir wissen, dass Migranten die Kurse sehr positiv sehen. Man müsste in der Integrationspolitik beim Spracherwerb jetzt stark auf Anreizsysteme setzen. Etwa: Raschere Einbürgerungen, die Kosten der Kurse senken, steuerliche Anreize dafür anbieten.

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Kommentar

  • Interview

Kommentare