Ein Deutschprofessor als Premier

Zwei Männer in Anzügen stehen vor einer Reihe von Soldaten in Paradeuniformen.
Jean-Marc Ayrault wird neuer Regierungschef in Frankreich. Politisch ist er eine Art Doppelgänger von François Hollande.

Sie sind einander ähnlich und doch verschieden: Jean-Marc Ayrault, der am Dienstag vom Staatschef zum neuen Premierminister ernannt wurde, ist politisch eine Art Doppelgänger von François Hollande: Ein wohltemperierter Sozialdemokrat in einer Sozialistischen Partei, die über wesentlich kantigere Persönlichkeiten verfügt.

Dem schneidigen 62-Jährigen mit dem adretten Scheitel fehlt jedoch der sprühende Witz und die charmante Leutseligkeit Hollandes. Dafür gelang es Ayrault mit taktischem Geschick seit 1997 den umkämpften Vorsitz der SP-Abgeordneten zu halten und seit 1989 im westfranzösischen Nantes als Bürgermeister zu triumphieren.

Zwischen dem stets taktvollen Ayrault und dem nicht unähnlichen, bisherigen bürgerlichen Premier François Fillon bestand gewisse Vertraulichkeit. Beide hatten im Parlament regelmäßige Vorabsprachen.

Ayrault war aber nicht immer so umgänglich. Der Sohn eines Textilarbeiters kam wie viele spätere SP-Politiker in Westfrankreich ursprünglich aus der katholischen Jugendbewegung. Als 26-jähriger angehender Gymnasialprofessor für Deutsch gehörte er zum linken Flügel der SP, fiel durch doktrinäre Kampfansagen auf und trug quasi als Uniform einen roten Rollkragenpulli. Seit 40 Jahren ist er mit Brigitte, ebenfalls einer Professorin, verheiratet.

Um die einst konservative Provinzmetropole Nantes zu übernehmen, mutierte Ayrault zum geschmeidigen Modernisierer. Gestützt auf ein liberales Bürgertum, unternahm er eine wirtschaftliche, städtebauliche und kulturelle Revitalisierung sondergleichen, die Nantes zur bestgereihten Stadt Frankreichs in Sachen Lebensqualität machte. Allerdings zerstritt er sich mit seinen grünen Bündnispartnern, weil er auf der Errichtung eines Groß-Flughafens bestand.

Trotz seiner Karriere bewohnt er weiterhin ein unauffälliges Einfamilienhaus. Mit seiner Frau kurvte er noch vor Kurzem in einem VW-Kombi durch Europa.

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