Deutsche Linke: Neustart statt Scheidung

Entweder neue, zugkräftige Gesichter – oder zwei Splitterparteien in Deutschland mehr. Das war die dramatische Alternative am Linken-Parteitag in Göttingen. Die Linksaußen-Opposition ist in der tiefsten Krise seit ihrer Vereinigung zur „Linken“ 2007. Seit ihre ostdeutsche Ko-Chefin vor einem Monat zurücktrat, geht es um mehr als Jobs und Perspektiven für die Funktionäre: Die Partei ist hart am Zerbrechen.
Der ostdeutsche Stamm, der aus der Einheitspartei SED der DDR-Diktatur hervorging und heute noch 70.000 Mitglieder hat, fetzt sich seit langem mit dem westlichen Teil und dessen 26.000 Mitgliedern aus Ex-SPD-lern, frustrierten Gewerkschaftern und alten Linksradikalen. Die ostdeutschen Pragmatiker halten Mitregieren für ein wünschenswertes politisches Ziel, die West-Dogmatiker wollen nur knallharte Basis-Opposition.
In dieser Existenzkrise liefen der Linken zuletzt überall die Wähler davon: Die weniger fanatischen überwiegend zurück zur SPD, die Protestwähler zu den Piraten. Nun regiert sie nur mehr in Brandenburg mit.
Gregor Gysi, letzter SED-Chef und noch immer wortmächtiger Fraktionschef im Bundestag, dramatisierte die Situation am Parteitag wie nie: „Es gibt unter uns Hass. Entweder beginnt ein Neubeginn oder es endet mit der Spaltung.“ In seiner Rede vollzog aber auch er den Bruch mit dem zweiten Gründer der vereinten Linken, dem egomanischen Ex-Parteichef Oskar Lafontaine aus dem Westen.
Machtkampf
Als Vertreterin der Frauen sicherte sich am Abend in einer Kampfabstimmung überraschend die sächsische Bundestagsabgeordnete Katja Kipping, 34, den Parteivorsitz. Damit unterlag Gysis Schützling Dietmar Bartsch. Auch Lafontaines Lebensgefährtin, die Altkommunistin Sahra Wagenknecht, verzichte darauf hin auf die Kandidatur.
Zweiter Parteichef wurde danach der Chef der baden-württembergischen Linken Bernd Riexinger, 56. Auch er gilt aber, wie Wagenknecht, als Marionette Lafontaines. Ob damit nun die Spaltung dauerhaft verhindert wurde, ist sehr zweifelhaft.
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