Deutsche Behörden unterwanderten Neonazi-Gruppe

Der
Verfassungsschutz des deutschen Bundeslandes Thüringen hat nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel Ende der 1990er Jahre mindestens drei V-Leute im Umfeld der Zwickauer Neonazi-Zelle geführt. Zu den Informanten habe der Kopf der rechtsextremen Gruppe "Thüringer Heimatschutz" sowie der Chef der Thüringer Sektion der Organisation "Blood & Honour" gezählt, berichtete das Magazin am Samstag. Trotz der intensiven Durchdringung des
Verfassungsschutzes sei es den Geheimdiensten nicht gelungen, das untergetauchte Neonazi-Trio aufzuspüren.
Unterdessen wurde bekannt, dass die deutsche Neonazi-Terrorzelle aus Zwickau möglicherweise größer ist als bisher bekannt. Der Thüringer Verfassungsschutz geht nach Spiegel-Informationen mittlerweile von etwa 20 Unterstützern aus, die dem Trio im Untergrund geholfen hätten.
Rätsel
Aufklärung über mögliche Helfer ist von der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe vorerst nicht zu erhoffen: Sie will bis auf weiteres nicht aussagen. Zschäpe und der in Niedersachsen festgenommene Holger G. sitzen bereits in Untersuchungshaft. Nun gibt es zwei weitere Beschuldigte. Es seien "zwei plus zwei", teilte Generalbundesanwalt Harald Range am Freitag in Berlin mit. Nach früheren Medienberichten haben die Ermittler zwei Thüringer Neonazis im Visier. Sie sollen das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Böhnhardt und Mundlos sind tot, sie haben sich laut Behörden selbst umgebracht.
Das Ausmaß der Unterstützung für die Neonazi-Terroristen stellt für die Ermittlern bisher ein Rätsel dar. "Das kann auf ein Netzwerk hinauslaufen", sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke. Die rechtsextreme Gruppe Thüringer Heimatschutz, aus der der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) entstanden ist, habe zeitweise 170 oder 180 Mitglieder gehabt. Auch in Sachsen und Brandenburg gab es Hinweise auf mögliche Unterstützer.
Zschäpe, die im Frauentrakt des Gefängnisses in Köln-Ossendorf einsitzt, will entgegen anderslautender Berichte zunächst nicht aussagen. "Ich habe heute mit ihr gesprochen und ihr den Rat erteilt, derzeit nichts zur Sache zu sagen. Sie wird diesen Rat auch befolgen", sagte ihr Anwalt, der Kölner Strafrechtler Wolfgang Heer, der Nachrichtenagentur dpa. Nach Angaben der Gefängnisleitung hat die 36-Jährige auch bisher keinen Besuch von BKA-Beamten erhalten.
Festnahme gestoppt
Eine geplante Festnahme des Neonazi-Trios wurde laut dem Sender
MDR Ende der 90er Jahre in letzter Minute gestoppt. Fahnder hätten die drei Verdächtigen zwischen 1998 und 1999 in Chemnitz in Sachsen aufgespürt. Ein Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamtes sei kurz vor dem Aufbruch nach Sachsen gestoppt worden.
Mit besseren Ermittlungsstrukturen wollen Bund und Länder auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Aufklärung zu und sprach den Hinterbliebenen ihre Anteilnahme aus. "Wir werden nicht ruhen, bevor nicht alle Umstände der fürchterlichen Morde aufgeklärt sind", betonte sie. "Wir sind beschämt, aufgerüttelt und aufgefordert, dass Fremdenhass und Extremismus in unserem Land keinen Platz haben."
T-Shirt-Verkauf
Unterdessen gab das bayerische Landeskriminalamt (LKA) am Freitag bekannt, dass es nach der Überprüfung erster DNA-Spuren keine Hinweise auf eine Verbindung zwischen der Neonazi-Mordserie und dem Fall Mannichl in Passau gebe. Der Passauer Polizeichef Alois Mannichl war 2008 in Fürstenzell nahe Passau niedergestochen und schwer verletzt worden. Der Täter wurde nie gefasst, es gab aber Spekulationen über einen rechtsextremistischen Hintergrund.
Wenige Tage nach der Enttarnung der Zwickauer Terrorzelle hat ein rechtsextremer Internetversand den Vertrieb von T-Shirts gestartet, auf denen die Gruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" verherrlicht wird. Abgebildet ist darauf eine Maske in Dönerform sowie die Aufschrift "Killer Döner - Nach Thüringer Art", wie die in Berlin erscheinende tageszeitung berichtet. Für 18,95 Euro plus Versandkosten kann das Shirt demnach in den Farben Braun, Schwarz und Rot bestellt werden. Vertrieben werde das Kleidungsstück von dem als rechtsextrem bekannten Versand "Reconquista".
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