Der Alltag nach dem Hundebiss

Der Alltag nach dem Hundebiss
Im Mai wurde die lebhafte Fünfjährige von einem Hund angefallen. Und noch immer muss sie fast jede Woche ins Spital.

Amelie malt, vor sich ein Berg von Buntstiften, und singt leise vor sich hin. "Fertig", ruft sie schließlich und zeigt der Mama stolz die vollendete Zeichnung. Sie ist eine lebhafte kleine Prinzessin, wie viele Mädchen in ihrem Alter auch. Doch einmal in der Woche packt die Fünfjährige aus Wals-Siezenheim (Salzburg) abends ihre Stofftiere ein, um mit ihnen am nächsten Morgen ins Krankenhaus zu fahren. Wieder einmal, es ist fast schon Routine.

Vor einem halben Jahr, einem Abend im Mai, hat das unbeschwerte Kinderleben einen tiefen Riss bekommen. Damals sprang der dreijährige Rottweiler eines Nachbarn über einen zu niedrigen Zaun und stürzte sich auf das Mädchen. Amelie erlitt schwere Bisswunden im Gesicht, zudem riss ihr der Hund ein großes Stück Haut vom Kopf. Die Ärzte konnten die Haut nicht mehr annähen, hofften aber, dass das Gewebe von selbst wieder anwächst. Das passierte nur zum Teil - was die nun so zermürbende Behandlung notwendig macht.

Narkose

Noch immer muss Amelie fast jede Woche ins Spital. Ambulant, für einen Tag nur, aber immer unter Vollnarkose. "Ich habe aufgehört, die Termine zu zählen", erzählt ihre Mutter, Anna Reifberger. "Man nimmt es halt in Kauf, auch die ständigen Narkosen", meint die 29-Jährige. "Natürlich macht man sich deswegen Gedanken. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich einfach auf die Ärzte verlassen muss."

Die haben Amelie unter die Kopfhaut zwei Expander eingesetzt, Schwimmflügel, die allmählich mit einer Kochsalzlösung aufgeblasen werden. Schritt für Schritt wird so die Haut gedehnt. Das sieht aus wie große Beulen - oder Ansätze von Hörnern. Werden die Expander später entfernt, kann die gewonnene Haut zusammengenäht werden und den nicht angewachsenen Hautlappen ersetzten.

Die Beulen scheinen Amelie nicht zu stören, sie ist überhaupt ein tapferes Kind. Auch an den Tagen der Behandlung, wenn sie unter den Folgen der Narkose leidet und oft erbricht. "Sie ist geduldig, kooperativ und jammert nicht", lobt sie die Mutter. Doch Amelie faucht. Denn über den Vorfall redet sie nicht. Und will auch nicht, dass das andere tun. "Das ist ihr Schutzmechanismus", sagt Anna Reifberger. Psychologische Hilfe bekommt ihre Tochter nicht. "Es geht ihr momentan eigentlich ganz gut." Manchmal müssen zuerst die körperlichen Wunden heilen, bevor man sich um die seelischen kümmert.

Skifahren lockt

Amelie geht mittlerweile wieder in den Kindergarten, trifft Freundinnen, war im Sommer sogar auf Urlaub in Italien. "Weil sie keinen Helm aufsetzten kann, muss sie aber auf Radfahren oder Inline-Skaten verzichten. Aber wir wollen im Winter Ski fahren - auf das freut sie sich schon wahnsinnig." Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Noch vor Weihnachten sollen die vielen Krankenhausaufenthalte ein Ende haben.

Die Narben im Mundwinkel und unter dem Kiefer werden dann kaum mehr zu sehen sein, der rote Fleck auf der Stirn mit der Zeit farblos werden, die Haare Narben am Kopf verdecken.
Und wie tapfer Amelie geworden ist, hat sie erst diese Woche bewiesen. Am Mittwoch wurde ein Pferd, bei dem sie regelmäßig zu Besuch war, auf der Autobahn niedergestoßen und getötet. "Sie hat da zwar kurz bitterlich geweint", erzählt ihre Mutter. "Aber dann hat sie gemeint: Vielleicht braucht das Christkind ja ein Pferd, um die Geschenke zu bringen."

Prozesstermin ist noch offen

Ob Anna Reifberger den Prozess gegen den Besitzers des Rottweilers - das Tier wurde kurz nach der Attacke eingeschläfert - mitverfolgen wird, weiß sie noch nicht. Ein Termin für das Verfahren steht noch nicht fest. Derzeit ist unklar, ob das Bezirks- ("fahrlässige Körperverletzung") oder das Landesgericht ("fahrlässige Körperverletzung unter besonders gefährlichen Umständen") für den Fall zuständig ist. Entschuldigt hat sich der Hundebesitzer bei Anna Reifberger übrigens nie. "Ich bin durch den Vorfall aber nicht zum Hundefeind geworden", sagt Amelies Mutter. "Bei freilaufenden Hunden hab ich aber ein ungutes Gefühl." Wenn sie und ihre Tochter heute Hunden begegnen, muss sie Amelie hochheben und vorbeitragen. "Oder wir machen einen sehr großen Bogen rundherum."

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