Das Volk soll begehren, das Parlament aber auch

Die ÖVP tut sich schwer, die öffentliche Diskussion zu bestimmen. Aber Staatssekretär Sebastian Kurz ist es gelungen, der FPÖ ein populäres Thema zu entwenden: Wenn es um mehr direkte Demokratie geht, die oft unübersichtliche Gemengelage zwischen Volksbegehren und Volksabstimmung, dann treibt der junge Mann den Koalitionspartner, aber auch die eigene Partei vor sich her. Dass die Freiheitlichen das Thema einmal besetzt hatten, weiß heute niemand mehr. Mit seiner Taktik ist Kurz erfolgreich. Aber wie die Strategie der ÖVP zum Umbau unserer Verfassung aussieht – und um nicht weniger geht es – bleibt vorerst offen.
Am Grundsatz der parlamentarischen Demokratie und der Gewaltenteilung will ja hoffentlich niemand etwas ändern. Schlimm genug, dass die Bundesregierung in einem Anfall von billigem Populismus dem Parlament ausgerichtet hat, dass es verkleinert wird und sich die Parlamentspräsidentin nicht sofort dagegen gewehrt hat. Jetzt versuchen die Abgeordneten, wenigstens durch mehr Mitarbeiter auch mehr Kompetenz zu erreichen.
Das kostet natürlich Geld, Grund genug für Boulevardzeitungen, die sich ständig um Millionen bei der Politik anstellen, gegen ein professionell ausgestattetes Parlament zu hetzen. Wir werden ja sehen, ob der Nationalrat und seine Führung ausreichend Mut haben und zu ihrem Anliegen stehen.
Lobbyisten-Parlament
Lobbyisten-Parlament Es ist ja sehr einfach: Wenn der Nationalrat nicht die nötigen Mittel hat, um Gesetze ordentlich vorzubereiten, dann tun dies andere für ihn: Lobbyisten etwa, wobei hier nicht die geldgierigen Figuren, die jetzt oft in der Zeitung stehen gemeint sind, sondern etwa Kammern, Verbände und Gewerkschaften.
Die freuen sich darüber, wenn sie fertige Gesetzestexte ins Parlament tragen können. Auch die Ministerien, die über genügend gut ausgebildete Beamte verfügen, können Gesetze einbringen. Aber die Gewaltentrennung, Grundlage unserer Demokratie sieht vor, dass die gewählten Abgeordneten die Gesetze beschließen.
Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck konnte mit dem gewählten Reichstag nicht viel anfangen und nannte ihn Quatschbude, die Nazis übernahmen das Schimpfwort. Aber in der Demokratie ist ein starkes Parlament durch nichts zu ersetzen. Dafür sollten die Parteien endlich konkrete Vorschläge für Reformen machen. Beim Bundesrat kann man sofort Geld sparen, ohne den Einfluss der Länder zu gefährden. Nach deutschem Vorbild können die Landesregierungen eine Länderkammer bilden.
Sehr schnell sollte der Nationalrat seine Arbeit besser kommunizieren. Und der nächste Untersuchungsausschuss muss live übertragen werden. Das muss jetzt beschlossen werden. Dann brauchen wir noch ein Wahlrecht, dass den einzelnen Abgeordneten stärkt.
Ein selbstbewusstes Parlament kann dann auch entsprechend mit Plebisziten umgehen. Mehr Bürgerbeteiligung und ein stärkeres Parlament sind also kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil.
Kommentare