Bürger an Politik: Wir wollen klarkommen

Porträt eines Mannes vor einem roten Hintergrund.
Der Frust der Wähler ist groß: Sie fühlen sich im Alltag alleingelassen.

Wir sind ja schon ein wunderliches Völkchen. Keine Gelegenheit lassen wir aus, um unser schwieriges Dasein in einem der reichsten Länder der Erde zu beklagen. Fürs Nötigste reicht es gerade noch. Fürs Glücksspiel etwa, da geben die Österreicher pro Jahr 14 Milliarden Euro aus. Aber weil ja doch alles anders werden muss, und überhaupt die Politik an allem schuld ist, schauen wir mit großen Augen auf einen knapp 80-Jährigen, der behauptet, die Wahrheit zu kennen. Vorsicht: Wer sich im Besitz der alleinigen Wahrheit wähnt, hat entweder selbst ein Problem oder diejenigen, die ihm das glauben.

An Wunderheiler glaubt man nur im Zustand der Verzweiflung. Müssen wir am Staat Österreich wirklich verzweifeln? Da sollte zunächst geklärt werden, was der Bürger von der Politik denn erwarten kann.

Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz formuliert norddeutsch-trocken, was Politik leisten muss: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen klarkommen", so Scholz vergangene Woche bei einem Besuch in Wien.

Klarkommen

Klarkommen Das muss man zunächst ins Österreichische übersetzen. Unter "klarkommen" versteht man im nördlichen Teil Deutschlands, dass man eine Aufgabe, letztlich sein Leben bewältigen kann. Wobei Scholz betont, dass der Staat nur die Voraussetzungen dafür bieten könne. Etwas leisten, sich dabei auch plagen, das muss jeder Einzelne. Der Sozialdemokrat Scholz redet also von Leistung. Diejenigen, die die Fähigkeiten dazu haben, müssen sich anstrengen, damit der Staat denen, die es nicht schaffen, unter die Arme greifen kann.

Da sind wir bei der Erwartung an die Politik: Den Menschen die Chance zu Ausbildung, zu Fortbildung, zu beruflichen Aktivitäten, zur Selbstständigkeit zu geben. Die Bürokratie muss dazu erträglich und der Zugang zu medizinischer Versorgung möglich sein. Das alles hat der Staat zu vernünftigen Kosten zu leisten.

Die Bildungsministerin hat in der Pressestunde fast resignativ gemeint, der Parteienproporz in der Schule stehe halt in der Verfassung. Für Helmut Zilk war das schon vor vielen Jahren "zum Kotzen", aber der Magen revoltiert noch immer. Beim AMS wird uns gerade demonstriert, wie brutal Parteipolitik sein kann, bei unseren Unis kann man jährlich beobachten, wie sie international absteigen, die Bürokratie empfinden viele zu Recht als Belästigung statt als Dienstleister. Der Staat erhöht die Steuern statt zu sparen, und über sinnlose Gesundheitsausgaben und künftig unbezahlbare Pflegekosten reden wir auch schon seit Jahrzehnten.

Unser Staat wurde nach dem 2. Weltkrieg durch vernünftige politische Entscheidungen aufgebaut. Von den Sozialgesetzen bis zur Öffnung nach Europa. Heute, in der rasend schnellen, globalisierten Welt, sind die Herausforderungen genauso groß wie beim Wiederaufbau. Da brauchen wir nicht die alleinige Wahrheit, sondern konkrete Maßnahmen, von der Schule bis zur Pflege. Flott. Dann können alle klarkommen.

Kommentare