Bombe in Italien: Rätselraten um Motiv

Einsatzkräfte und Ermittler untersuchen einen Tatort auf einer Straße.
Bei der Explosion vor einer Schule in Brindisi starb eine Schülerin. Mittlerweile wird daran gezweifelt, dass die Mafia hinter dem Anschlag steckt.

Bei einem Bombenanschlag vor einer Berufsschule in der süditalienischen Stadt Brindisi ist am Samstag ein 16-jähriges Mädchen getötet worden. Fünf weitere der rund 600 Schüler, welche die Modeschule in der Hafenstadt in Apulien besuchen, wurden verletzt, drei davon befinden sich in kritischem Zustand, berichtete die Polizei. Der Verdacht, dass die Mafia hinter dem Attentat steckt, wurde später von Experten infrage gestellt.

Nach Angaben von Sicherheitskräften explodierte der Sprengsatz aus drei miteinander verbundenen Gasflaschen gegen 07.45 Uhr (MESZ), als die Schüler zum Unterricht strömten. Vermutlich waren sie in Rucksäcken versteckt, die auf einer kleinen Mauer vor der Schule abgestellt wurden. "Es hätte zu einem Blutbad werden können. Wären die Gasbomben nur wenige Minuten später explodiert, wäre es zu einer noch größeren Tragödie gekommen", berichtete ein Augenzeuge.

"Mit dem Anschlag wollte man töten, die Gasbomben sind gerade zum Zeitpunkt explodiert, als die meisten Schülerinnen die Schule erreichten", sagte Schuldirektor Angelo Rampino. Nach den Detonationen, die über weite Teile der Adria-Hafenstadt gehört wurden, brach Panik unter den Schülern aus. Einige Lehrer, die sich unweit des Schuleingangs befanden, leisteten den Verletzten Erste Hilfe. "Die Schüler sind geschockt", berichteten die Rettungskräfte.

Vorerst Mafia unter Verdacht

Der Bürgermeister der 90.000-Einwohnerstadt Brindisi, Cosimo Consales, machte die Mafia für den Anschlag verantwortlich. "Es handelt sich um einen Angriff der Organisierten Kriminalität ohne Gleichen", kommentierte der Bürgermeister. Die Modeschule ist nach der Ehefrau des bekannten Mafia-Jägers Giovanni Falcone, Francesca Morvillo, benannt. Der Staatsanwalt war am 23. Mai vor 20 Jahren mit seiner Frau und drei Leibwächtern bei einem Attentat in Sizilien getötet worden. Die Mafia hatte den Wagen Falcones mit 500 Kilogramm Sprengstoff auf der Autobahn zwischen Palermo und dem Flughafen der Stadt in die Luft gesprengt.

In der Nacht auf den 5. Mai war es in Brindisi bereits zu einem Anschlag auf den Präsidenten einer Organisation gekommen, die das Phänomen der Mafia-Erpressungen bekämpft. Am 9. Mai wurden bei einer Anti-Mafia-Razzia 16 Personen wegen Mafia, Erpressungen und Drogenhandel festgenommen. In Brindisi wurden am Samstag die Teilnehmer eines Anti-Mafia-Marsches erwartet, die am 11. April in Rom gestartet waren. Der Marsch steuerte verschiedene italienische Städte an.

Zweifel

Zweifel tauchten jedoch am Samstagnachmittag auf, dass der Attentat auf die Mafia zurückzuführen sei, wie anfangs vermutet worden war. Ex-Innenminister Virginio Rognoni schloss einen Mafia-Anschlag aus. "Die Mafia hat kein Interesse, Bomben zu legen. In diesen Zeiten wickelt sie ihre Geschäfte auf internationaler Ebene ab", kommentierte Rognoni. Auch der Staatsanwalt der apulischen Stadt Lecce, Cataldo Motta, gab zu Bedenken, dass die Mafia möglicherweise für den Anschlag nicht verantwortlich sein könnte. Mehrere Ermittler hoben hervor, es sei für die Mafia untypisch, gezielt Minderjährige zu töten.

Die Justizbehörden schließen nicht aus, dass terroristische Gruppen am Werk seien. Seit Tagen herrscht in Italien Terroralarm. Vergangene Woche war der Geschäftsführer der Atomfirma Ansaldo Nucleare, Roberto Adinolfi in Genua auf offener Straße angeschossen worden. Der Manager wurde am Bein operiert. Die italienische Untergrundorganisation "Informelle Anarchistische Föderation" (FAI) hatte sich zu dem Anschlag bekannt. Daraufhin waren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft worden.

Die Politik reagierte geschockt auf den Anschlag in Brindisi. Staatspräsident Giorgio Napolitano appellierte an die Sicherheitsbehörden, alles Erdenkliche gegen umstürzlerische Kräfte im Land zu unternehmen. Premier Mario Monti versicherte, dass das Land geschlossen gegen Kriminalität und Terrorismus vorgehen werde. Auch der Vatikan verurteilt den Anschlag. "Ganz Italien muss geschlossen auf die terroristische Gewalt reagieren", forderte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Maria Falcone, Schwester des Mafia-Jägers Giovanni Falcone, sprach von einer Attacke gegen den Staat.

Details und Hintergründe zur Mafia in Italien lesen Sie hier.

Protestaktionen

Spontane Solidaritätskundgebungen wurden in ganz Italien ausgerufen. So fanden am Samstagnachmittag Protestaktionen gegen den Anschlag in mehreren italienischen Städten statt. An den Kundgebungen beteiligten Schüler mit weißen Taschentüchern in der Hand beteiligen. Die größte Demonstration fand in Rom vor dem Pantheon statt. Hier legten Schüler Blumen für die getötete Schülerin und skandierten Slogans gegen jegliche Form von Gewalt.

In Brindisi versammelten sich tausende Menschen auf der zentralen Piazza Vittoria, um ihre Empörung auszudrücken. Geführt wurde die Demonstration vom Bürgermeister, sowie vom bekannten Anti-Mafia-Priester Luigi Ciotti, der mit seiner Bewegung "Libera" bereits seit Jahren gegen das Organisierte Verbrechen kämpft.

Mehrere Menschen hatten Tränen in den Augen. Als Zeichen der Trauer wurden die Fahnen in allen italienischen Städten auf Halbmast gesetzt. In Rom wurde die für Samstagabend geplante " Lange Nacht der Museen" mit hunderten Konzerten, Ausstellungen, und Vorführungen abgesagt.

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