Besuch im Pulverfass Bagdad

Angenehme Temperaturen um die 25 Grad, ein wenig Sonne, und zudem hatten die leidgeprüften Iraker endlich wieder einmal etwas zum Feiern. Ihre Fußball-Nationalmannschaft schoss Jordanien in der WM-Ausscheidung 3 : 1 vom Platz.
Ein brasilianischer Trainer machte es möglich. Noch in der Nacht zum Mittwoch brachten Autokorsos den Verkehr im Zentrum der irakischen Hauptstadt
Bagdad zum Erliegen, da und dort wurden Freudenschüsse abgegeben.
Lebensstandard
Der sportliche Erfolg kann aber nur kurz über die Tristesse des Alltags hinwegtäuschen: Ohne Schmiergeld geht gar nichts; im Sommer kann gerade einmal die Hälfte der benötigten Elektrizität produziert werden, Stromabschaltungen stehen daher auf der Tagesordnung; die Wasserversorgung ist katastrophal; und die Sicherheitslage ist weiterhin mehr als angespannt.
"Bagdad ist zweifellos der Hotspot", sagte Außenminister
Michael Spindelegger, der sich derzeit zu einem dreitägigen Besuch im Irak befindet, nach den Gesprächen mit seinem irakischen Amtskollegen Hosyhar Zebari. Die Hauptstadt ist wie in einem Belagerungszustand. Checkpoints an jeder Ecke, die "Green Zone" mit höchster Sicherheitsstufe, die jetzt unverfänglicher "International Zone" genannt wird, ist aus Furcht vor Anschlägen nach wie vor hermetisch abgeriegelt.
In der gesamten Sechs-Millionen-Metropole sind relevante Gebäude wie Hotels, Firmensitze oder auch ganze Wohnviertel von meterhohen Mauern aus Stahlbeton umgeben. Davor gepanzerte Fahrzeuge und Pick-ups, auf denen irakische Soldaten mit Sturmmasken, Helm und Maschinengewehr im Anschlag Angreifer abwehren sollen.
Terrorismus

"Wir leben in einer permanenten Bedrohung durch Terroristen", sagte Außenminister
Zebari bei einer Pressekonferenz - der dafür vorgesehene Raum im Außenamt war zuvor von Suchhunden penibel auf Sprengstoff gecheckt
worden. Mit Hilfe der Amerikaner habe man aber Fortschritte erzielt. Ohne ins Detail zu gehen werde diese Kooperation auch nach dem Abzug der letzten US-Soldaten zu Jahresende weitergehen, betonte Zebari, der die Visite Spindeleggers "historisch" nannte.
Der österreichische Minister - in Bagdad war er in einem ehemaligen Saddam-Palast untergebracht - bot Hilfe beim Wiederaufbau an und setzt vor allem auf wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bei dem österreichisch-irakischen Ökonomie-Forum wurden Verträge mit einem Volumen von 60 Millionen Dollar unterschrieben.
Wasserknappheit
Besorgt zeigte sich Spindelegger, der gestern auch Unterredungen mit Staatschef Talabani und Premier al-Maliki hatte, über ein zentrales Zukunftsproblem des Landes: "Meine Gesprächspartner haben mir gesagt, dass nur ein Drittel der Wassermenge durch den Tigris fließt, die fließen sollte." Durch den forcierten Kraftwerksbau im türkischen Oberlauf könnte die Lebensader bis 2040 sogar gänzlich versiegen. Schon jetzt verlören Bauern ihre Existenzgrundlage, zögen in die Städte, was dort zu vermehrter Arbeitslosigkeit führe.
Ein besonderes Anliegen war dem Außenminister die extrem schwierige Situation der Christen im Zweistromland. Im Gespräch mit DEM kaldäisch-katholischen Bischof Jacques Isaak ließ er sich die Lage schildern. Dieser spielte die Sache ein wenig herunter: "Es gibt hier weniger Fanatismus und Hass als anderswo, dennoch kommt es immer wieder zu Zwischenfällen." Diese thematisierte Spindelegger auch gegenüber Regierungsstellen und forderte schärfere Maßnahmen für die Sicherheit der Minderheit.ein entschiedenes Eintreten der für die Sicherheit der erheit zu fordern. Wegen Rezessionen und Anschlägen haben 400.000 der ursprünglich 800.000 Christen den
Irak seit 2003 verlassen. "Zebari hat mir mehr Schutz versprochen, das ist erfreulich", sagte Spindelegger.
Partiell gibt es diesen Schutz auch schon. In Bagdad wacht vor einer christlichen Schule ein Armeefahrzeug. Hinter Betonblöcken mit Stacheldraht werden die Kleinen unterrichtet - und haben wohl nur einen Gedanken: Raus aus dem Getto. Heute, Donnerstag, setzt Spindelegger seinen Besuch in Erbil fort und trifft hier den kurdisch-irakischen Präsidenten, Masoud Barzani.
Gas-Geschäfte: Milliardendeal mit Shell
Einen der größten Energiedeals der vergangenen Jahre hat das irakische Ölministerium mit dem britischen Energiekonzern Royal Dutch
Shell abgeschlossen. Bei diesem 17-Milliarden-Dollar-Geschäft geht es nicht um Öl, sondern um Gas - der Irak hat die zehntgrößten Erdgasvorkommen der Welt.
Bisher wurden 60 Prozent des bei der Erdölgewinnung produzierten Gases einfach verbrannt oder in die Erde geleitet, weil es im Zweistromland an der nötigen Infrastruktur mangelt, das Gas zu transportieren oder zu nutzen. In den drei großen Ölfeldern im Süden des Landes wurden so jährlich fast 20 Millionen Kubikmeter Gas einfach verbrannt.
Das irakisch-britische Joint-Venture, an dem auch das japanische Mitsubishi-Konglomerat beteiligt ist, soll dieses Gas nun auffangen und zur Stromerzeugung nutzen.
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