Berlusconi kriegt auch die 51. Kurve

Einem russischen Roulette glich die Vertrauensabstimmung, bei der am Freitag über die Regierung
Berlusconi entschieden wurde. Mit einem knappen Vorsprung schaffte es der Premier jedoch, die Agonie seiner Mitte-rechts-Regierung zu verlängern.
Berlusconi musste bei der bereits 51. Vertrauensabstimmung gegen ihn bis zuletzt um jede Stimme zittern. Der Fortbestand seiner angeschlagenen Regierung hing am seidenen Faden. Mit einer knappen Mehrheit von 316 Ja- gegen 301 Nein-Stimmen hat er das Votum jedoch gewonnen. Die Gefahr der Stimmenthaltung von Abtrünnigen aus der eigenen Partei "Volk der Freiheit" (Pdl) war diesmal größer denn je. Berlusconi konnte erneut mit Bestechungen und Versprechungen auf Prestigeposten den "Verrat" einiger Pdl-Parlamentarier abwenden.
"Kuhhandel"

Trotz Mehrheit hat die Mitte-rechts-Regierung laut Analysen längst jede Glaubwürdigkeit verloren. "Als beeindruckenden Kuhhandel", bezeichnete die Opposition das Zahlenspiel des knapp gewonnenen Votums. Staatspräsident Napolitano stellte noch vor der Abstimmung die Handlungsfähigkeit der
Regierung in der Schuldenkrise infrage und verlangte von Berlusconi klare Lösungsansätze.
Diese blieb der 75-Jährige bisher schuldig. Als "peinlich" bezeichnete Oppositionschef Bersani Berlusconis Auftritt, der in keiner Weise auf Napolitanos Forderung einging.
Der Rebellionsgeist von Ex-Industrieminister Scajola und seiner 30-köpfigen Gruppe von Berlusconi-kritischen Parlamentariern war schnell verpufft. Scajola hat laut eigener Aussage Berlusconi zwar zum Rücktritt geraten, trotzdem stimmten er und die meisten seiner Leute für den Cavaliere. Lega-Nord-Chef Bossi, der erst letzte Woche mit Neuwahlen 2012 drohte, fiel dem "Mafioso von Arcore" (Zitat Bossi) auch diesmal nicht in den Rücken. Dass er während Berlusconis Rede dauernd gähnte und statt zu applaudieren den Mittelfinger zeigte, gehörte zum üblichen Schauspiel.
Während in der Abgeordnetenkammer über die Zukunft des Landes entschieden wurde, versammelte sich vor dem Parlament ein großes Polizeiaufgebot. Ausschreitungen und Krawalle wie bei einer heiklen
Vertrauensabstimmung im Dezember, wollte man in der aufgeheizten Stimmung unbedingt verhindern. Die soziale Protestwelle hat nun auch Italien erreicht.
"Tag der Wut"
In Rom findet am Samstag eine Großdemonstration statt. Es ist der erste große Massenprotest, seitdem die Regierung im September ein Milliarden Euro schweres Sparpaket zur Schuldeneindämmung verabschiedet hat. 200.000 Teilnehmer aus ganz Italien werden am "Tag der Wut" erwartet. Die Demo wird vom größten Gewerkschaftsverband CGIL und von Oppositionsparteien unterstützt. Am Freitag gingen in Mailand Hunderte Studenten und Schüler auf die Straße, um gegen drastische Kürzungen im Bildungswesen zu demonstrieren. Vor der Notenbank in Rom schlugen Demonstranten der Protestbewegung "Die Empörten" ihre Zelte auf und schwenkten Plakate: "Wir werden nicht ihre Schulden zahlen!"
Vertrauen: Routine in
Rom
Tradition
Das Vertrauensvotum hat im italienischen Parlament eine lange Tradition. Unter Premierminister Silvio Berlusconi wurde es zur Routinehandlung.
Druckmittel
Am Freitag entschieden die Parlamentsabgeordneten bereits zum 51. Mal über die Vertrauenswürdigkeit des Cavaliere. Das Votum setzte Berlusconi auch als Druckmittel ein, um umstrittene Gesetze durchzubringen. Diesmal musste er im Vorfeld um jede einzelne Stimme kämpfen, um sich über Wasser zu halten.
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