Zagreb befindet sich weiter im Ausnahmezustand

Zagreb befindet sich weiter im Ausnahmezustand
In Kroatiens Hauptstadt kämpft man gegen ein Virus – und die Folgen des Erdbebens
Von Uwe Mauch

Zagreb zittert weiterhin: Auch fünf Wochen nach dem Erdbeben der Magnitude 5,4, dem stärksten seit dem Jahr 1880, kommen die Menschen in der kroatischen Hauptstadt nicht zur Ruhe. Weit mehr als 1000 Nachbeben wurden seither gemessen – eine Gefahr für Tausende Gebäude, die laut Statikern vom Einsturz bedroht sind.

War nach dem ersten Schock und den ersten Aufräumungsarbeiten von 200 nicht mehr bewohnbaren Wohnungen die Rede, berichtet der Zagreber Seismologe Marijan Herak jetzt, dass mehr als 25.000 Gebäude beschädigt wurden und noch nicht einmal die Hälfte davon inspiziert werden konnte.

Nur auf den ersten Blick wirkt die Stadt wieder aufgeräumt. Die Probleme wohnen im Detail, vor allem in den Gründerzeithäusern im historischen Zentrum. So fahren durch die lange Einkaufsstraße Ilica wegen herabstürzenden Mauerwerks noch immer keine Straßenbahnen.

Das Büro der Außenwirtschaft Österreich am Beginn der prominenten Meile ist im Moment ebenso nur bedingt zugänglich wie die österreichische Botschaft in einem Hochhaus nahe der Save.

Zehntausende Rauchfänge müssen nach dem Beben, das in den frühen Morgenstunden des 22. März auch im Süden und Osten Österreichs registriert wurde, erneuert werden. Während die Kirchenspitze des Zagreber Doms bald repariert wurde, warten Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen weiterhin auf die dringend notwendigen Sanierungen. Dafür fehlt jedoch das Geld.

Zagreb befindet sich weiter im Ausnahmezustand

Hilfe aus Österreich

Schwer beschädigt wurde auch ein von einem Otto-Wagner-Schüler geplantes Jugendstilgebäude, in dem die Kinderklinik Klaićeva untergebracht ist. Seit der Evakuierung des denkmalgeschützten Krankenhauses ist hier an einen Normalbetrieb nicht mehr zu denken, was vor allem die Kinderchirurgen in ihrer Arbeit wesentlich beeinträchtigt.

Weil die Generalsanierung in die Millionen gehen wird, haben Burgenlandkroaten und Freunde ein Spendenkonto eingerichtet (AT70 3307 2000 0005 4379/BIC: RLBBAT2E072) und binnen weniger Tage 60.000 Euro gesammelt. Das Geld soll Ende Mai übergeben werden.

Der kroatische Botschafter in Wien, Daniel Glunčić, will indes auch für andere Zagreber Spitäler und auch für die in Mitleidenschaft gezogenen Bildungseinrichtungen Patenschaften in Österreich organisieren.

Weil die Erde in Kroatien öfter als in Österreich bebt, haben viele Kroaten gelernt, nicht übertrieben panisch darauf zu reagieren. Dennoch ist derzeit vielen Zagrebern die Angst ins Gesicht geschrieben. Immer wieder fällt dieser Satz: „Ins Freie dürfen wir wegen des Virus nicht gehen, und zu Hause fühlt man sich auch nicht sicher.“

Langsam werden immerhin die strengen Ausgangsbeschränkungen gelockert. In drei Phasen soll jetzt wieder ein Mindestmaß an Normalität hergestellt werden. Doch das Trauma dieser Stadt nur eineinhalb Autostunden südlich von Graz, die in der Coronazeit in weite Ferne gerückt ist, sitzt tief.

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