Wo Grüne in der Regierung ganz normal sind

Wo Grüne in der Regierung ganz normal sind
In Europa sind Regierungsbeteiligungen der Ökopartei kein Novum – allerdings ist Grün nicht gleich Grün.

Dass die Grünen mitregieren, ist in Europa kein Novum – in Finnland, Luxemburg, Litauen und Schweden tragen sie Regierungsverantwortung, in der neuen finnischen Koalition haben sie mit dem Innen- und Außenministerium sogar wichtige Ressorts inne. Eine konservative Partei als Solo-Partner – wie eben in Österreich –, das gibt es allerdings in Europa bisher nicht.

Woran das liegt? Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch sagt zum KURIER, dass Konservative und Grüne in Österreich viel weiter voneinander entfernt seien als anderswo. Das mache eine Beteiligung der Ökopartei in anderen Ländern leichter. „Die ÖVP ist verglichen mit anderen Konservativen stärker rechts orientiert. Und die türkise ÖVP ist stärker neoliberal als die alte Volkspartei.“

Deutsche Grüne seien hingegen wesentlich pragmatischer als österreichische, was sich auch in der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder gezeigt habe. „Die Grünen hierzulande hingegen stärker wirtschaftsregulierend“, sagt Heinisch.

Wo Grüne in der Regierung ganz normal sind

Ehemaliges Regierungsduo Joschka Fischer und Gerhard Schröder

Grünes Ja zur Atomkraft

Jene Grüne, die im Norden mitregieren, seien mit ihren westeuropäischen Schwesterparteien noch viel schwerer zu vergleichen, sagt die Kärntner Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle. Es handle sich dabei um eher konservative, bäuerliche Bewegungen.

Deshalb ist laut Heinisch etwa in Finnland ein grünes Innenministerium ebenso denkbar wie ein grünes Ja zur Atomkraft. Auch in sozialpolitischen Fragen sind sich die Koalitionspartner in Skandinavien seit vielen Jahren näher als in Österreich. Mehrparteienregierungen mit bis zu fünf Beteiligten sind im Norden seit langem Usus – in Österreich schwer vorstellbar.

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Finnische Innenministerin Maria Ohisalo

Beidseitiges Interesse

In Österreich haben es Juniorpartner traditionell schwierig und verzeichnen bei Wahlen oft Verluste. Das ist in anderen Ländern nicht so: In einigen Fällen haben es grüne Juniorpartner in Regierungen geschafft, stabil zu bleiben oder sogar dazuzugewinnen. In Deutschland etwa wurden die Grünen nach der Ära Schröder nicht für die massiven Sozialreformen abgestraft, sondern konnten ihr Ergebnis halten. Auch in Luxemburg, wo Liberale, Sozialdemokraten und Grüne zum wiederholten Mal gemeinsam regieren, konnte bei der letzten Wahl ausschließlich die Umweltpartei dazugewinnen.

Wie es hierzulande laufen wird, hängt natürlich auch von der ÖVP und ihrem Chef ab. „Wenn Sebastian Kurz an einem längerfristigen Projekt interessiert ist, braucht er auch einen stabilen Partner“, so Stainer-Hämmerle. Demnach wäre ein großer Verlust für die Grünen auch nicht in seinem Interesse. Er könnte sogar davon profitieren, sagt die Politologin: Mit einer derartigen Zusammenarbeit mache Kurz auf der internationalen Bühne eine bessere Figur als noch mit Türkis-Blau – vor allem in Zeiten der Klimakrise.

 

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