Vor Urnengang: Griechen sind wahlmüde

Als er seinen Wagen im Durcheinander des Athener Verkehrs lenkte, hatte der Taxifahrer gar nicht nachdenken müssen, wie er bei der kommenden vorzeitigen Wahl am 20. September, der zweiten in diesem Jahr, wählen würde: „Diesmal wähle ich gar nicht. Es ist doch sinnlos“, meinte er zum KURIER. Im Jänner hat er seine Stimme der radikalen linken Partei Syriza gegeben, doch wie viele andere Syriza-Anhänger wurde auch er von der Politik der Syriza-Regierung enttäuscht.
Die erste Fernsehdebatte am Mittwochabend, in der die sieben Chefs der wichtigsten Parteien Griechenlands aufgetreten sind, haben dem Taxifahrer und den anderen unentschiedenen Wählern auch kaum weitergeholfen. Viele fragen sich immer noch, wozu man eigentlich schon wieder ins Wahllokal muss. Darauf hat der Politologe Dimitrios Sotiropoulos eine Antwort parat: „Der Grund für diese Wahl war Taktik: Ex-Premier Alexis Tsipras (Chef der radikalen Linken – Anm.) wollte damit die Parteibasis säubern“, sagte er zum KURIER. Das heißt die rebellierenden Mitglieder, die gegen das neue Finanzhilfeprogramm sind, los zu werden.
„Wir haben es nicht geschafft, alle unsere Wahlversprechen einzuhalten, aber der Kampf geht weiter und wir hoffen auf mehr Erfolg in der Zukunft“, gab Tsipras vor laufender Kamera zu: Der Mann, der im Jänner das Ende des Sparprogramms in Griechenland versprach, aber nach sieben Monaten in der Regierung ein drittes Abkommen mit den Gläubigern unterschrieb. Das habe zur Stabilisierung des Landes beigetragen, sagte Tsipras, gab aber zu, dass man „am Weg dorthin einige Exzesse und Fehler“ begangen habe. Vor der ersten vorgezogenen Wahl im Jänner, war Griechenland in einem besseren Zustand als jetzt, konterte Vangelis Meiramakis, der neue Chef der stärksten Oppositionspartei – der konservative Nea Dimokratia.
Keine echte Debatte
Eigentlich sprach Meiramakis gar nicht direkt zu Tsipras, da die Fernsehdebatte keine eigentliche Debatte war. Die Politiker beantworteten nur die Fragen von sieben gegenübersitzenden Journalisten. Drei Stunden lang dauerte die Frage-Antwort-Sitzung und brachte inhaltlich nichts Neues. Die PASOK Chefin Fofi Gennimata erklärte, die Solzialisten hätten eine bessere Erfahrung bei Verhandlungen mit Brüssel, und somit einen besseren Deal für Griechenland erreichen könnten. Ein Austritt aus dem Euro sei nicht so schlimm und würde nur die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft stärken, sagte der ehemalige Energieminister der radikalen Linken, Panagiotis Lafazanis. Der Mann, der gegen Tsipras und das neue Abkommen rebellierte, tritt bei der kommenden Wahl mit seiner neuen Partei, die Volkseinheit, an.
Koalitionssuche
„Niemand kam aus dieser Fernsehdebatte als der Gewinner heraus, da alle sehr vorsichtig waren, keine Brücken für eine zukünftige Koalitionsregierung abzubrechen“, sagte Sotiropoulos. Am wahrscheinlichsten hält er eine künftige Koalition zwischen Nea Dimokratia, PASOK und der neuen liberalen Bürgerbewegung „To Potami“. Dananch käme eine Regierung von Syriza, PASOK und „To Potami“ in Frage. Erst an dritter Stelle sieht er die Möglichkeit für eine große Koalition zwischen den politischen Opponenten Syriza und Nea Dimokratia.
Die faschistische Goldene Morgenröte, die bei den jüngsten Meinungsumfragen als die drittgrößte politische Macht mit etwa 6 Prozent, abschnitt, wurde zur Fernsehdebatte nicht eingeladen.
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