Verurteilter Blogger fordert Putin-Vasallen heraus

Alexei Nawalny geht mit Begleitern durch einen Torbogen.
Der Kreml-kritische Oppositionelle Nawalny tritt in Moskau gegen Amtsinhaber Sobjanin an – und könnte im Gulag landen.

Zu fünf Jahren Straflager verurteilt (noch nicht rechtskräftig) rittert am Sonntag der Kreml-kritische Blogger Alexej Nawalny um das Moskauer Bürgermeisteramt. Doch seine Chancen stehen schlecht. Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich selbst in die Wahlschlacht geworfen für seinen treuen Vasallen, Amtsinhaber Sergej Sobjanin. Dessen Sieg bereits in der ersten Runde scheint ungefährdet, zumal die weiteren vier Bewerber bloß Zählkandidaten sind.

Chodorkowski-Appell

Sergei Sobjanin, der Bürgermeister von Moskau, in einem dunklen Anzug und einer rot-weiß gestreiften Krawatte.
Moscow mayor Sergei Sobyanin (R) walks with Kirill, Patriarch of Moscow and all Russia, during a visit to a newly renovated church belfry near the Kremlin in Moscow August 29, 2013. Sobyanin will run for re-election in a mayoral election on September 8. REUTERS/Maxim Shemetov (RUSSIAPOLITICS - Tags: POLITICS RELIGION ELECTIONS)
Die meisten Moskauer kennen Nawalny, 37, wegen seines LiveJournal Blogs, der ihm wegen seiner Putin-kritischen Ausrichtung zu Popularität vor allem im Internet verholfen hat. Dort und in einem Straßenwahlkampf rührte er denn auch die Werbetrommel für seine Wahl. Ein politischer Wandel in Moskau sei der Schlüssel für Änderungen in ganz Russland, heißt es in Nawalnys Programm. Hinter ihm stünden weder Oligarchen noch politische Machtzirkel, beteuert der Oppositionspolitiker. Zuletzt stellte sich der inhaftierte Ex-Öl-Magnat und Putin-Kritiker Michail Chodorkowski in einem offenen Brief hinter den Blogger und rief zu dessen Wahl auf.

Sobjanin, 55, dagegen konnte in den Staatsmedien auf breitester Front auf Stimmenfang gehen – und auf die Fürsprache Putins bauen. Dieser brachte seine Wahlempfehlung auf den Punkt: „Ich mag diesen Mann.“

Sobjanin war 2010 vom damaligen russischen Präsidenten Medwedew, ein Weggefährte Putins, ins Amt bestellt worden, nachdem Bürgermeister Juri Luschkow nach 18-jähriger Tätigkeit wegen eines angeblichen Vertrauensbruches abgesetzt worden war. In diesem Sommer legte Sobjanin überraschend sein Bürgermeisteramt nieder und bat Putin um Neuwahlen, zu denen er jetzt wieder antritt.

Nawalnys Kandidatur wurde erst durch einen juristischen Trick möglich. Putins langer Arm ließ das Urteil wegen Veruntreuung nicht rechtskräftig werden. Diesem Schachzug des Kremls, so die Politologin Lilija Schewzowa, liege folgendes Kalkül zugrunde: „Sobjanin braucht einen glaubwürdigen Gegner, um seinen Wahlsieg zu legitimieren.“ Sobald Nawalny seine „Rolle“ gespielt und seine Schuldigkeit getan habe, werde er im Gulag landen.

Vor diesem Hintergrund appellierte Chodorkowski, der wegen Öldiebstahls und Steuerhinterziehung eine elfjährige Haftstrafe absitzt: „Ich bin mir sicher, dass es Nawalny nicht erlaubt sein wird, Bürgermeister zu werden, aber eine Million Eurer Stimmen könnten diesen Menschen davor schützen, in der Haft zu verrotten“, hieß es in dem oben zitierten Brief.

Andrej Stopar, Russland-Korrespondent des slowenischen Fernsehens, ist ein intimer Kenner der Moskauer Polit-Szene. Mit dem KURIER sprach er über...

... Putins Strategie: Inoffizielle Stimmen sagen, dass Bürgermeister Sergej Sobjanin einfach länger im Amt bleiben soll. Man erwartet eine Krise des russischen Rubel, weiß aber nicht, wann diese eintreten soll – vielleicht in zwei bis drei Jahren. Wenn zu dieser Zeit wieder Wahlen stattfinden sollten, könnte Sobjanin als Grund für diese Probleme in den Vordergrund rücken.

... Sobjanins Auftreten: Sobjanin nahm nicht an den Fernsehdebatten teil. Was aber nicht bedeutet, dass er nicht mindestens so präsent in den Medien ist wie die anderen Kandidaten. Er scheint immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Vor allem dann, wenn eine Kamera dabei ist.

... Kritik an Sobjanin: Er ist zum Ziel der Kritik geworden, nachdem man herausgefunden hatte, dass eine seiner Töchter eine Wohnung im Wert von mehreren Millionen gleich neben dem Weißen Haus (Regierungsgebäude, Anm.) bewohnt. Keiner in seiner Familie verdient jedoch so viel Geld, um sich eine Wohnung diesen Ausmaßes leisten zu können.

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