ESM-Vertrag nicht verfassungswidrig

Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge der früheren FPK-Landesregierung gegen den " Europäischen Stabilitätsmechanismus" (ESM) als "unbegründet" abgewiesen. Der ESM wurde im Vorjahr zur Unterstützung kriselnder Eurostaaten ins Leben gerufen. Diese Entscheidung teilte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Mittwoch in einer Pressekonferenz mit. Zu begründen sei das Urteil u.a. damit, dass keine finanziell unbegrenzte "Nachschusspflicht" Österreichs an den ESM besteht. Auch gebe es durch den Abschluss des ESM keine unzulässige Übertragung von Hoheitsrechten.
"Es war ein sehr kompliziertes Verfahren", räumte Holzinger ein. Es handelte sich dabei um ein Überbleibsel der abgewählten freiheitlichen Kärntner Landesregierung, die die Anfechtung des ESM im vergangenen Herbst gegen die Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen hatte.
Auslegungserklärung spielte Rolle
Die Bundesregierung und der Nationalrat entschieden sich für die Teilnahme am Europäischen Stabilitätsmechanismus und gingen damit begrenzte Verpflichtungen ein, zur Vermeidung nicht absehbarer wirtschaftlicher und sozialer Schäden. Diese Vorgangsweise habe sich im Rahmen der Verfassung bewegt, so Holzinger. Zu den Bedenken der früheren Kärntner Landesregierung, dass eine andere "politische Handlungsoption" richtiger gewesen wäre, meinte der VfGH-Präsident: "Das ist eine rechtspolitische Frage, die vom VfGH nicht zu beurteilen ist."
Eine besondere Rolle in den Verhandlungen der Verfassungsrichter habe die sogenannte "Auslegungserklärung" zum ESM-Vertrag gespielt. Darin wurden den beteiligten Staaten, wie vom deutschen Bundesverfassungsgericht gefordert, Haftungsobergrenzen zugesichert. Diese Erklärung wurde in Österreich zwar im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, aber nicht im Parlament beschlossen. Aus Kärntner Sicht sei dies unzulässig gewesen. Bundesregierung und Nationalrat seien allerdings bereits bei der Genehmigung des ESM-Vertrags davon ausgegangen, dass sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder begrenzt seien mit den im Anhang festgelegten Anteilen - in Österreichs Fall rund 19,4 Milliarden Euro. Dass die Auslegungserklärung nicht vom Nationalrat gesondert genehmigt wurde, sei daher nicht problematisch, so Holzinger.
Der VfGH-Präsident bekräftigte am Mittwoch, dass er es für zweckmäßig hielte, Staatsverträge in europäischem Kontext vorab prüfen zu können. Dies habe auch bereits Bundespräsident Heinz Fischer vorgeschlagen. "Meines Erachtens zeigte der Abschluss des ESM-Vertrages, dass es zweckmäßig wäre." Schon vor Inkrafttreten oder einer Ratifikation sollte ein Staatsorgan wie der Bundespräsident die Möglichkeit erhalten, die Verfassungskonformität prüfen zu lassen.
Holzinger räumte aber ein, dass es für eine Vorabprüfung derzeit keine Einigungder Parteien gibt, u.a. werde befürchtet, der Verfassungsgerichtshof könnte über Gebühr in den rechtspolitischen Meinungsstreit einbezogen werden. "Die Kontrolle im Nachhinein hat durchaus Vorteile", so Holzinger. Aber bei Staatsverträgen im europäischen Kontext wäre die Möglichkeit einer Vorabprüfung durchaus zweckmäßig. Gerade dieser Fall habe gezeigt, dass man sich politischen Streit erspart hätte, wäre die Frage der Verfassungsmäßigkeit geklärt gewesen, meinte der VfGH-Präsident.
Die Kärntner Freiheitlichen hatten mit dem Argument, die Verfassungsklage noch auf den Weg bringen zu wollen, monatelang den Neuwahlbeschluss der anderen Parteien in Kärnten blockiert.
Strache: "unverständlicher VfGH-Entscheid"
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kritisiert: "Mit diesem Entrechtungskonstrukt verliert Österreich seine Steuerhoheit und die Verfügung über seine Finanzen", so der Parteiobmann. Er will das Thema in den Nationalratswahlkampf hineintragen. Die Einführung des ESM hätte "zwingend einer Volksabstimmung in Österreich unterzogen werden müssen", da es sich dabei um eine Gesamtänderung der Bundesverfassung handle, erklärte Strache per Aussendung. SPÖ und ÖVP hätten der Bevölkerung diese Volksabstimmung aber verweigert. Es sei bedauerlich, dass der VfGH diese "schwerwiegenden Einwände" gegen den ESM hintanstelle.
"Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Nationalratswahl zu einer Volksabstimmung wird", kündigte Strache an. Die "immer krasser werdende Zwangsenteignung", deren augenfälligste, aber bei weitem nicht einzige Erscheinungsform der ESM sei, müsse "endlich aufhören", meinte der Parteichef.
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