USA drohen Russland mit "Konsequenzen" im Fall von Tod Nawalnys

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Europäische Politiker verlangen eine angemessene medizinische Versorgung für den Inhaftierten. Team des Putin-Kritikers ruft zu neuen Protesten auf.

Angesichts der Gesundheitsprobleme des inhaftierten Regimekritikers Alexej Nawalny drohen die USA der Regierung in Moskau mit "Konsequenzen, falls Nawalny stirbt". Es gebe verschiedene mögliche Maßnahmen, warnte der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag im Fernsehsender CNN. Das Team Nawalnys rief für Mittwoch zu neuen Protesten für den Oppositionspolitiker auf.

An diesem Abend (18.00 Uhr MESZ) sollten sich die Menschen auf den zentralen Plätzen der Städte versammeln, hieß es in einem am Sonntag veröffentlichten Aufruf. Am Mittwoch will der russische Präsident Wladimir Putin seine Rede an die Nation halten. Der Gesundheitszustand Nawalnys hat sich zuletzt deutlich verschlechtert. Ärzte hatten vor einem Herzstillstand bei dem 44-Jährigen gewarnt.

Nawalnys Team hatte bereits neue Demonstrationen angekündigt, wollte aber erst ein Datum nennen, sobald 500.000 Menschen bereit seien, sich den Aktionen anzuschließen. Bis zum Sonntag hatten sich mehr als 457.000 Menschen auf der Nawalny-Internetseite registriert. "Es gibt Umstände, unter denen man schnell handeln muss, sonst entsteht ein irreparabler Schaden", hieß es in dem Aufruf.

Die Tochter des Kreml-Kritikers forderte unterdessen wegen des kritischen Zustands ihres Vaters medizinische Hilfe. "Meinem Vater muss ein Doktor erlaubt werden", schrieb Dascha Nawalny, die an der US-Eliteuniversität Stanford studiert, auf Twitter. In Russland hatten der Opposition nahestehende Ärzte zuletzt die Befürchtung geäußert, dem im Hungerstreik befindlichen Politiker drohe ein Leberversagen. Zugang zu Nawalny sei ihnen aber nicht gewährt worden, so die Ärzte.

Hungerstreik

Der 44-jährige Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin war Ende März in Hungerstreik getreten. Damit wolle er gegen die Weigerung der Gefängnisbehörden protestieren, ihn wegen akuter Rücken- und Beinschmerzen angemessen zu behandeln. Nach Angaben der Gefängnisbehörden wurden Nawalny angemessene Behandlungen angeboten, die dieser aber nicht in Anspruch genommen habe. Er habe stattdessen darauf bestanden, von einem externen Arzt seiner Wahl behandelt zu werden. Dies sei abgelehnt worden.

Nawalny zufolge drohen die Gefängnisbehörden, ihn in eine Zwangsjacke zu stecken und zwangsweise zu ernähren, falls er weiter keine Nahrung annehme. Russlands Botschafter in Großbritannien sagte dem Sender BBC, Nawalny gehe es nur darum, Aufmerksamkeit zu bekommen. Moskau werde dafür sorgen, dass er lebt. "Ihm wird nicht erlaubt werden, im Gefängnis zu sterben", sagte Botschafter Andrej Kelin dem britischen Sender.

Nawalny ist einer der prominentesten Putin-Kritiker. Er hatte 2020 einen Giftanschlag in Russland überlebt und war in Deutschland ärztlich behandelt worden. Bei der Rückkehr in seine Heimat im Jänner wurde er festgenommen und zu mehr als zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Dies wurde international scharf kritisiert, die EU und die USA haben zusätzliche Sanktionen gegen Russland verhängt. Nawalny macht Putin persönlich für den Giftanschlag verantwortlich. Putin und die Regierung weisen eine Beteiligung zurück.

"Es wird Konsequenzen geben, falls Herr Nawalny stirbt", sagte Sullivan. Über mögliche spezifische Maßnahmen gegen Russland in einem solchen Fall wolle er derzeit nicht öffentlich sprechen. Sullivan wies Kritik daran zurück, dass US-Präsident Biden in seiner Ansprache zu Russland am Donnerstag den Fall Nawalny nicht angesprochen hatte. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass man in diesem Fall besser "durch diplomatische Kanäle direkt mit der höchsten Ebene der russischen Regierung" kommuniziere, als öffentliche Erklärungen dazu abzugeben, sagte Sullivan.

Maas: "Fordern dringend Behandlung"

Der deutsche Außenminister Heiko Maas appellierte an Moskau: "Wir fordern dringend, dass Alexej Nawalny eine adäquate medizinische Behandlung und Zugang zu Ärzten seines Vertrauens bekommt." Sein Recht auf medizinische Betreuung müsse ihm "unverzüglich gewährt werden", sagte Maas der Bild-Zeitung. "Ich mache mir große Sorgen um die Gesundheit von Alexej Nawalny", erklärte auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. "Er muss sofort Zugang zu einer angemessenen medizinischen Behandlung erhalten." Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mahnte, die russischen Behörden seien "verantwortlich für Herrn Nawalnys Sicherheit und Gesundheit".

Auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian zeigte sich im Sender France 3 "äußerst besorgt" über den Gesundheitszustand des Kreml-Kritikers und schloss auch neue Sanktionen gegen Russland nicht aus. Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics rief Russland dazu auf, den im Straflager inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny "unverzügliche und angemessene medizinische Versorgung" zukommen zu lassen. Die Berichte aus Russland über den sich rasch verschlechternden Gesundheitszustand des russischen Oppositionellen seien "sehr beunruhigend", schrieb Rinkevics am Sonntag auf Twitter. "Die russischen Behörden tragen die volle rechtliche und politische Verantwortung für sein Schicksal." Ähnlich äußerte sich der britische Außenminister Dominic Raab.

"Extrem besorgt"

Mehr als 70 Prominente wandten sich mit dieser Forderung in einem Offenen Brief an Wladimir Putin. "Als russischer Staatsbürger hat er das Recht, von einem Arzt seiner Wahl untersucht und behandelt zu werden", heißt es in einem Appell, der am Samstag von mehreren europäischen Tageszeitungen abgedruckt wurde. Zu den Unterzeichnern gehören Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling, Literaturnobelpreisträgerinnen wie Herta Müller und Louise Glück, ABBA-Gründer Björn Ulvaeus sowie Schauspieler Benedict Cumberbatch.

Nawalnys Ärztin Anastassija Wassiljewa und drei Kollegen sprachen von kritischen Kaliumwerten, was zu Nierenversagen und schweren Herzrhythmusstörungen führen könne. "Wir sind extrem besorgt über seinen Zustand", heißt es in dem Brief an den Chef des Strafvollzugs, Alexander Kalaschnikow. "Wir bitten dringend um Verhandlungen." Bei einer Größe von 1,90 Meter wog er nach Angaben seiner Ehefrau vor einigen Tagen noch 76 Kilogramm. Pro Tag soll er zuletzt ein Kilo verloren haben. Der Kardiologe Alexej Erlich sagte dem Radiosender Echo Moskwy: "Ich weiß nicht, ob Nawalnys Schicksal vom Strafvollzug, von der Präsidialverwaltung oder von Putin persönlich entschieden wird. Aber wir brauchen jetzt, heute eine Grundsatzentscheidung, die es unabhängigen Ärzten erlaubt, Nawalny zu treffen." Der Mediziner gehört zum Team der persönlichen Ärzte des Oppositionellen.

Nawalnys Sprecherin schrieb, an den Wochenenden könnten Anwälte keinen Kontakt aufnehmen. "Niemand weiß, was am Montag passiert." Der Grünen-Europapaabgeordnete Sergey Lagodinsky sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Deutschland und die EU sollten beim Kreml eine Behandlung des Oppositionellen in die EU durchsetzen - ähnlich wie nach dem Anschlag auf ihn im vergangenen Sommer. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch schrieb mit eindringlichen Worten: "Alexej stirbt." Der Tod sei nur eine Frage von Tagen.

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