Amnesty: USA haben „Lizenz zum Töten“

Amnesty International wirft den USA einen Bruch des Völkerrechts vor - und nimmt dabei auch Deutschland ins Visier.

Amnesty International greift die USA wegen ihrer Drohnenangriffe vor allem in Pakistan scharf an, laut ihren Informationen hat außerdem Deutschland die völkerrechtlich umstrittenen Angriffe mit Geheimdienstinformationen unterstützt. Das teilte die Menschenrechtsorganisation unter Berufung auf pensionierte pakistanische Geheimdienstoffiziere mit. Nach diesen Aussagen von 2013 und 2012 "haben die Geheimdienste in Deutschland und anderen europäischen Staaten mit den USA und deren Drohnenprogramm in Pakistan zusammengearbeitet". Deutschland habe dem US-Geheimdienst CIA sogar Daten wie Handynummern von späteren Drohnen-Opfern geliefert.

In dem am Dienstag veröffentlichten Bericht von Amnesty International (AI) zu US-Drohnenangriffen in Pakistan heißt es: "Die USA haben beim Einsatz bewaffneter Drohnen in Pakistan immer wieder Völkerrecht gebrochen. Bei einigen Angriffen kann es sich sogar um Kriegsverbrechen handeln." Die deutsche AI-Sektion kritisierte "eine Lizenz zum Töten, die menschenrechtliche Standards und das Völkerrecht vollkommen ignoriert".

Der Pakistan-Experte von Amnesty International, Mustafa Qadri, sagte auf Anfrage: „Wir veröffentlichen diesen Bericht, um Regierungen einschließlich der deutschen dazu zu drängen, ihre Rolle in dem US-Drohnenprogramm offenzulegen.“ Die Bundesregierung verlasse sich auf die Selbstauskunft der USA, wonach das Völkerrecht eingehalten werde, teilte AI weiter mit.

UNO machen Druck

Auch die Vereinten Nationen machen Druck auf die USA wegen der Drohnenangriffe in Pakistan und anderen Teilen der Welt. Der UN-Beauftragte für Terrorismusabwehr, Ben Emmerson, hat von Washington bereits vergangene Woche die Offenlegung der Daten ihrer Angriffe mit unbemannten Flugzeugen gefordert. Ansonsten könnten Berichte über zivile Opfer nicht überprüft werden.

Pakistan will die Drohnenangriffe auch beim Besuch von Premierminister Nawaz Sharif am Mittwoch bei US-Präsident Barack Obama in Washington zum Thema machen. Die pakistanische Regierung fordert seit langem einen Stopp der Angriffe im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan, was die USA ignorieren.

Die Einbindung des Geheimdienstes CIA in die Kriegsführung sei ein "unüberbrückbares Hindernis für die Transparenz", schrieb Emmerson am vergangenen Freitag in einem Bericht für die UN-Vollversammlung. Dies mache es unmöglich, die Zahl der zivilen Opfer in Pakistan, Somalia, dem Irak und dem Jemen abzuschätzen. "Der Sonderbeauftragte will nicht hinnehmen, dass Erwägungen der nationalen Sicherheit es erlauben, Daten dieser Art zurückzuhalten", schrieb Emmerson. Er forderte auch Großbritannien und Israel auf, ihre Kriegsführung mit unbemannten Flugkörpern offenzulegen.

Dem UNO-Papier zufolge berichten pakistanische Behörden, dass es in ihrem Land seit 2004 mindestens 330 Drohnenangriffe gegeben habe, die meisten in den Grenzregionen zu Afghanistan. Dabei seien etwa 2200 Menschen getötet und 600 schwer verletzt worden - nach Angaben des unabhängigen Journalisten-Netzwerkes "Bureau of Investigative Journalism" in London sogar noch weit mehr. Mindestens 400 der Todesopfer sollen pakistanischen Angaben zufolge Zivilisten gewesen sein, weitere 200 müssten als "Nichtkämpfer" betrachtet werden. Allerdings sei von 2012 zu 2013 über einen spürbarer Rückgang bei zivilen Opfern berichtet worden.

Emerson schrieb von "einer Reihe offener juristischer Fragen" beim Einsatz von Drohnen. Diese könnten nur international beantwortet werden. Der Brite fürchtet, dass der Einsatz von Drohnen unkontrollierbar wird. Immer mehr Länder würden die unbemannten Flugkörper beschaffen.

USA: Mehr Hilfsmittel an Pakistan

Das Weiße Haus hat die Drohnenangriffe als "präzise, rechtmäßig und effektiv" verteidigt. Die Angriffe mit den unbemannten Flugkörpern erfüllten die Standards aller anwendbaren Rechtsvorschriften, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, am Dienstag in Washington. Dem von Amnesty International und Human Rights Watch erhobenem Vorwurf, die USA würden bei den Angriffen internationales Recht brechen, widersprach er mit Nachdruck. Washington sorge mit "äußerster Sorgfalt" dafür, innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu handeln.

Vor jedem Angriff müsse nahezu ausgeschlossen werden können, dass Unschuldige verletzt würden, sagte Carney. "Das ist der höchste Standard, den wir setzen können", sagte Carney. Der mögliche Tod von Zivilisten bleibe dabei eine "unbequeme Wahrheit". Bei seiner Einschätzung bezog er sich auf eine Rede von Präsident Barack Obama vom Mai, bei der Obama erstmals umfassend zu den Drohnenattacken Stellung bezogen hatte.

US-Außenminister John Kerry hat als erste Reaktion bei einem Treffen mit dem pakistanischen Ministerpräsidenten Nawaz Sharif in Washington betont, dass das Verhältnis zu Pakistan nicht wichtiger sein könnte. Das Land sei wichtig für die Stabilität in der gesamten Region, so Kerry. Die USA wollen nun Hilfsmittel für Pakistan freigeben, die in den vergangenen zwei Jahren teilweise eingefroren worden waren. Grund waren Spannungen zwischen Washington und Islamabad. Die insgesamt rund 1,6 Milliarden Dollar (1,2 Mrd. Euro) sollten nun in vollem Umfang fließen, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums am Montag.

Drohnen

Drohnen sind unbemannte Flugzeuge, die tagelang in der Luft bleiben können. Sie folgen entweder einem programmierten Kurs oder werden von einer Bodenstation gesteuert, die Tausende Kilometer weg sein kann. Sie dienen nicht nur der Aufklärung, sondern können mit Luft-Boden-Raketen auch Ziele angreifen. Gesteuert werden diese Angriffe von einem Waffensystemoffizier in der Kontrollstation.

Die CIA setzt die unbemannten Flugzeuge in Pakistan ein, um gezielt mutmaßliche Aufständische zu töten, denen zuvor kein rechtsstaatlicher Prozess gemacht wurde. Dabei kommen immer wieder Unschuldige ums Leben.

Offizielle Zahlen zu US-Drohnenangriffen gibt es nicht. Das unabhängige Journalisten-Netzwerk "Bureau of Investigative Journalism" in London sammelt aber seit 2010 Informationen zu den Attacken auf mutmaßliche Terroristen in Pakistan, im Jemen und in Somalia.

In PAKISTAN registrierte das Netzwerk 376 Drohnenangriffe seit 2004. Dabei sollen zwischen 2.525 bis 3.613 Menschen getötet worden sein. Darunter seien bis zu 926 Zivilisten gewesen, davon bis zu 200 Kinder.

Im JEMEN registrierte die Organisation 54 bis 64 Drohnen-Einsätze seit 2002. Dadurch soll es bis zu 397 Tote gegeben haben. Darunter seien bis zu 58 Zivilisten gewesen, davon 5 Kinder. Möglich seien rund 100 weitere, aber nicht bestätigte Angriffe mit bis zu 467 Toten.

In SOMALIA gab es den Recherchen zufolge 3 bis 9 US-Drohnen-Attacken seit 2007. Zwischen 7 und 27 Menschen sollen getötet worden sein, darunter bis zu 15 Zivilisten.

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