Umfrage: Tories bei Großbritannien-Wahl nur noch 4 Punkte vor Labour

Theresa May und Jeremy Corbyn
Corbyns Partei legte in den vergangenen Wochen deutlich zu. Premierministerin May aber weiter vorn.

Einen Tag vor der Parlamentswahl in Großbritannien wird es eng zwischen den beiden großen Parteien. Zwar haben die Konservativen von Premierministerin Theresa May in den Umfragen noch immer die Nase vorn, aber die von Jeremy Corbyn geführte Labour-Partei verringerte den Abstand am Mittwoch weiter.

In Großbritannien wird an diesem Donnerstag ein neues Parlament gewählt. Premierministerin May hatte entgegen aller Versprechen Neuwahlen ausgerufen. Sie hofft auf eine klare Parlamentsmehrheit und damit auf mehr Rückenwind für die komplizierten Verhandlungen über den EU-Austritt. Ein weiteres Ziel ist es, die Stimmen der Brexit-Gegner im Parlament zu dämpfen.

Umfrage: Tories bei Großbritannien-Wahl nur noch 4 Punkte vor Labour
A combination of pictures created in London on May 31, 2017 shows Britain's main opposition Labour party leader Jeremy Corbyn (L) speaking during a general election campaign speech in central London on May 26, 2017 and Britain's Prime Minister Theresa May (R) speaking at the launch of the Scottish manifesto by Scottish Conservative leader Ruth Davidson in Edinburgh on May 19, 2017. Britain goes to the polls to vote in a general election on June 8. / AFP PHOTO / Daniel LEAL-OLIVAS AND Dan Kitwood
Nach der letzten YouGov-Umfrage lagen die Tories mit 42 Prozent der Stimmen nur noch vier Punkte vor Labour mit 38 Prozent. Laut einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Opinium hat Mays Partei mit 43 Prozent immerhin sieben Prozentpunkte Vorsprung. Bei ICM betrug der Abstand zwischen den Parteien zuletzt ganze 11 Punkte mit 45 Prozent für die Konservativen und 34 Prozent für Labour.

Corbyns Partei legte in den vergangenen Wochen deutlich zu. Labour hatte Anfang Mai zeitweise unter der 30-Prozent-Marke gelegen.

Nach den Terroranschlägen von Manchester und London (aktuelle Updates siehe untere Abschnitte) drehte sich der Wahlkampf auch am letzten Tag vor der Wahl weiter um die innere Sicherheit. May hatte eine härtere Gangart gegen Terrorverdächtige angekündigt. Dafür sei sie notfalls auch bereit, Menschenrechte einzuschränken, hatte die Premierministerin gesagt. Labour will unterdessen mehr in Polizei und Sicherheitskräfte investieren.

Gewählt wird am Donnerstag. May will sich mit der Neuwahl eine größere Mehrheit im Parlament verschaffen und sich damit für die Brexit-Verhandlungen den Rücken stärken lassen.

Wirbel bei Labour: Nur einen Tag vor der britischen Parlamentswahl hat Parteichef Jeremy Corbyn seine innenpolitische Sprecherin ausgetauscht. Diane Abbott müsse sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Wahlkampf zurückziehen, sagte Corbyn der BBC am Mittwochmorgen. Als Ersatz nannte der Labour-Chef später die derzeitige polizeipolitische Sprecherin Lyn Brown.

In den britischen Medien kursieren Gerüchte über den möglicherweise ernsten Gesundheitszustand Abbotts. Sie hatte kurzfristig mehrere Wahlkampftermine absagen müssen. Abbott war zuvor heftig in die Kritik geraten, weil sie in verschiedenen Interviews verworrene Aussagen zum Labour-Programm gemacht hatte.

Wegen Äußerungen zu Terrorabwehr und Menschenrechten ist Premierministerin Theresa May am letzten Tag vor den Parlamentswahlen stark in die Kritik geraten. Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte der BBC: "Wir werden den Terrorismus nicht besiegen, indem wir unsere Grundrechte und unsere Demokratie zerreißen."

Vielmehr brauche das Land mehr Polizisten und zusätzliche Investitionen in die Sicherheitskräfte. Corbyn kritisierte Kürzungen der konservativen Regierung im Polizeietat. May hatte versprochen, künftig härter gegen Terroristen vorzugehen. Dazu sei sie auch bereit, Menschenrechte einzuschränken, um Terrorverdächtige länger festhalten oder schneller abschieben zu können, sagte May am Dienstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Slough, westlich von London. "Wenn unsere Menschenrechtsgesetze uns daran hindern, dann werden wir diese Gesetze ändern, damit wir es tun können. Wenn ich am Donnerstag zur Premierministerin gewählt werde, beginnt diese Arbeit am Freitag."

In Großbritannien wird an diesem Donnerstag ein neues Parlament gewählt. May hatte entgegen aller Versprechen Neuwahlen ausgerufen. Sie hofft auf eine klare Parlamentsmehrheit und damit auf Rückenwind für die komplizierten Verhandlungen über den EU-Austritt. Weiteres Ziel ist es, die Stimmen der Brexit-Gegner im Parlament zu dämpfen.

In einem Interview der "Sun" sagte May auch, sie sei bereit, den Zeitraum, in dem Terrorverdächtige ohne Haftbefehl festgehalten werden können, von 14 auf 28 Tage auszudehnen. Der ehemalige liberaldemokratische Vize-Premier Nick Clegg warf May im BBC Radio vor, mit ihrer Rhetorik den rechten Medien in die Hände zu spielen. Sie wolle einer "lahmen" Wahlkampagne neuen Schwung geben.

Internationale Tageszeitungen kommentieren am Mittwoch die Sicherheitsdebatte in Großbritannien nach den jüngsten Anschlägen vor dem Hintergrund der anstehenden Parlamentswahl:

"Times" (London):

"Großbritannien hat eine Fahrt in Richtung Brexit begonnen, die immer wieder solide und weitsichtige Entscheidungen erfordern wird. Man muss Theresa May zugutehalten, dass sie - anders als manche ihrer Hinterbänkler - das Ausmaß der bevorstehenden Aufgabe versteht. Leider hat die Wahlkampagne eher ihre Schwächen als ihre Stärken gezeigt. Großbritannien ist darauf angewiesen, dass May eine deutlich erweiterte Mehrheit gewinnt sowie die Zuversicht und Weitblick findet, das Land zu einer neuen und erfolgreichen Stabilität außerhalb der Europäischen Union zu führen. Doch nach den verschiedensten Umfragen zu urteilen, bräuchte sie viel Glück, um ersteres zu erreichen und zudem müsste sie letzteres auch erst noch ausreichend unter Beweis stellen."

"El Pais" (Madrid):

"Trotz der Behauptungen aller Parteien und ihrer Kandidaten, dass der Terrorismus das Alltagsleben der Briten nicht verändern wird, scheint es nach den Attentaten von Manchester und London sicher, dass das, was in den vergangenen Tagen passiert ist, am Tag der Wahl sehr präsent sein wird. Zu diesem ohnehin schon schlechten Klima gesellt sich die Unsicherheit über das Ergebnis. Es handelt sich heute um ein ganz anderes Szenario als noch im April (...), als Theresa May die vorgezogene Wahl beschlossen hatte, weil sie auf einen komfortablen Sieg vertraute. Aber genau wie es ihrem Vorgänger passiert ist, könnte ihr diese Vermessenheit teuer zu stehen kommen."

"Frankfurter Allgemeine":

"Das ist der Punkt, an dem die Premierministerin May ins Spiel kommt und die Sache, neben der menschlichen Tragödie, politisch brisant wird. Denn als Innenministerin unter Cameron, das waren sechs Jahre, hatte May Kürzungen von 20.000 Stellen (!) bei der Polizei zu verantworten. Sie behauptet zwar, dass für die Bekämpfung des Terrorismus genügend Mittel bereit gestanden hätten. Aber wenn es zutrifft, dass Überwachungen der späteren Mördern wegen Personalnot hatten eingestellt werden müssen, kann sie sich nicht so leicht herausreden. Sie trug die politische Verantwortung. (...) In den jüngsten Umfragen ist der ursprünglich große Vorsprung der Konservativen dahingeschmolzen. Wird die von ihr selbst anberaumte Wahl am Donnerstag am Ende zum Fiasko für May?"

Umfrage: Tories bei Großbritannien-Wahl nur noch 4 Punkte vor Labour
Italian national Youssef Zaghba, 22, identified by Italian and British law enforcement bodies as the the third man shot dead by police officers during the attack on London Bridge and Borough Market is seen in an undated image handed out by the Metropolitan Police, June 6, 2017, Metropolitan Police Handout via REUTERS FOR EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVES THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. IT IS DISTRIBUTED, EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS TPX IMAGES OF THE DAY
Die Mutter des Italo-Marokkaners Youssef Zaghba, der als dritter Attentäter des Anschlags mit sieben Toten in London identifiziert wurde, ist der Ansicht, dass sich ihr Sohn durch Internet-Propaganda radikalisiert habe. Weder in Italien noch in Marokko sei der 22-jährige mit fundamentalistischen Kreisen in Verbindung gekommen, berichtete die Frau im Interview mit dem Magazin "L ́Espresso".

"Wir haben immer Youssefs Freundschaften kontrolliert. Er benützte jedoch Internet, von dort kommt alles. Weder in Italien, noch im marokkanischen Fez, wo er an der Universität Informatik studierte, hat er sich jemals von jemanden beeinflussen lassen", meinte Valeria Collina, die einen Marokkaner geheiratet hatte und vor 26 Jahren zum Islam übergetreten war. Sie gehe davon aus, dass ihr Sohn, der seit einigen Monaten in einem Restaurant in London arbeitete, dort Personen getroffen habe, die ihn zum Fundamentalismus führten.

Zuletzt habe sie am Donnerstag Kontakt zu ihrem Sohn gehabt. "Er hat mich am Donnerstag angerufen. Jetzt weiß ich, dass das ein Abschiedsanruf war. Er hat mir zwar nichts Besonderes mitgeteilt, doch ich spürte es an seiner Stimme. Normalerweise schickte er SMS , rief aber nicht häufig an", so die Frau.

Den Rest ihres Lebens werde sie sich für den Frieden engagieren. "Nur eine Mutter kann das Leid einer anderen Mutter begreifen. Ich weiß, dass nichts genügen wird, um den Schmerz dieser Frauen zu lindern. Ich bin aber zu allem bereit, um Frieden zu bringen. Ich begreife, dass es sinnlos ist, um Verzeihung zu bitten. Daher werde ich ab jetzt mein ganzes Leben dafür einsetzen, damit so etwas nicht mehr geschieht", so Collina. Sie wolle den Menschen den wahren Islam nahe bringen. "Wir müssen die Ideologie des Islamischen Staates mit wahrem Wissen bekämpfen und ich werde das mit all meinen Kräften tun", erklärte die Frau.

Zaghba war den italienischen Geheimdiensten bekannt. Er war im März 2016 auf dem Flughafen von Bologna festgenommen worden. Die italienischen Behörden verdächtigten ihn, sich der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien anschließen zu wollen. Er wurde wieder freigelassen, weil es nicht genügend Hinweise auf Verbindungen zur IS-Miliz gab. Seitdem stand er auf den Listen der gefährlichen Personen.

Der Staatsanwalt von Bologna, Giuseppe Amato, berichtete, dass der Italo-Marokkaner den britischen Ermittlern als mögliche Verdachtsperson gemeldet worden war. "In eineinhalb Jahren hat er zehn Tage in Italien verbracht und stand stets unter Polizeibeobachtung. Wir haben alles getan, was wir tun konnten", betonte der Staatsanwalt.

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