Ukraine-Krieg: Selenskij würde mit Putin reden, sieht ihn aber als "Feind"

Selenskyj bei einem Besuch in Deutschland, September 2024.
Zusammenfassung
- Selenskij berichtet von 45.100 gefallenen ukrainischen Soldaten und 350.000 russischen Toten im Krieg.
- Selenskij ist unter Bedingungen zu Verhandlungen mit Putin bereit, um Frieden für die Ukraine zu erreichen.
- Die EU hat die Grundlagen für ein Sondertribunal zu Russlands Krieg in der Ukraine geschaffen.
Bei der Abwehr der russischen Invasoren sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij bisher 45.100 eigene Soldaten gefallen.
Rund 390.000 seien verletzt worden, sagt er in einem Interview mit dem britischen Journalisten Piers Morgan. Selenskij schätzt, rund 350.000 russische Soldaten seien gestorben und zwischen 600.000 und 700.000 verletzt worden. Zudem gebe es auf russischer Seite viele Vermisste.
Selenskij ist unter Bedingungen auch zu direkten Verhandlungen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin bereit. An Gesprächen sollten die Ukraine, Russland, die USA und Europa beteiligt sein, sagte Selenskij in dem Interview mit Morgan. Morgan steht US-Präsident Donald Trump nahe, und das Gespräch diente augenscheinlich dem Ziel, das konservative Lager in den USA anzusprechen.
"Werde nicht nett zu ihm sein"
"Wenn dies die einzige Möglichkeit ist, den Bürgern der Ukraine Frieden zu bringen und keine Menschen zu verlieren, werden wir auf jeden Fall zu diesem Treffen mit diesen vier Teilnehmern gehen", sagte Selenskij. Über den Kremlchef sagte er: "Ich werde nicht nett zu ihm sein, ich betrachte ihn als Feind, und offen gesagt, ich glaube, er betrachtet mich auch als Feind."
Trump drängt auf ein Ende des seit fast drei Jahren dauernden Krieges, wobei die Verhandlungstaktik seiner Administration bisher nicht klar ist. Putin hat zuletzt seine angebliche Verhandlungsbereitschaft betont, verweist aber immer darauf, dass Selenskij ja selbst Gespräche mit ihm verboten habe.
Dabei geht es um einen Erlass des ukrainischen Staatschefs vom September 2022, nachdem Russland die vier teilweise besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson annektiert hatte. Dem Wortlaut nach verbietet der Erlass Verhandlungen mit Putin nicht; er erklärt sie angesichts der Lage aber für unmöglich. Selenskij sagte zuletzt, das Dokument habe möglichen Separatismus unterbinden sollen, weil Moskau damals unkontrollierte Gesprächskanäle in die Ukraine suchte.
Wahlen nach Krieg
Selenskij versuchte auch ein zweites Argument des Kremls zu entkräften, dass nämlich seine Legitimität als Präsident abgelaufen sei. Er sei 2019 mit 73 Prozent der Stimmen gewählt worden, sagte er. Solange der Krieg dauere, seien Wahlen rechtlich und praktisch unmöglich. Nach Kriegsende werde in der Ukraine selbstverständlich gewählt werden. Trumps Ukraine-Gesandter Keith Kellogg hatte kürzlich ebenfalls Wahlen in der Ukraine angemahnt.
In dem Gespräch mit Morgan warf Selenskij die halb rhetorisch gemeinte Frage nach einer nuklearen Bewaffnung der Ukraine wieder auf. Welche Sicherheitsgarantien bekomme sein Land, wenn sich der erhoffte NATO-Beitritt noch um Jahre oder Jahrzehnte verzögern sollte, fragte er. "Welches Unterstützungspaket, welche Raketen (bekommen wir)? Oder bekommen wir Atomraketen? Dann sollte man uns Atomraketen geben." Die Ukraine hatte 1994 die letzten sowjetischen Nuklearwaffen auf ihrem Gebiet abgegeben gegen lose Sicherheitszusagen aus Moskau, London und Washington.
Die Europäische Union (EU) hat unterdessen die rechtlichen Grundlagen für ein Sondertribunal zu Russlands Krieg in der Ukraine geschaffen. Das teilte die EU mit. Das Tribunal soll nach Aufnahme seiner Tätigkeit die Kompetenzen haben, politische und militärische Führungskräfte zur Rechenschaft zu ziehen.
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