Spionage und Ausbildungen: Was zu den US-Ukraine-Leaks bekannt ist

Pentagon
Die ukrainische Führung hat eine angebliche Abhöraktion der USA gegen Präsident Wolodymyr Selenskij in Zweifel gezogen.

Die Veröffentlichung geheimer US-Dokumente im Internet hat die Regierung in Washington alarmiert. Dass die Dokumente online zirkulierten, sei "ein sehr hohes Risiko für die nationale Sicherheit", sagte am Ostermontag ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Nach Angaben der "New York Times" enthalten die Unterlagen unter anderem Informationen zu Plänen der USA und der NATO zur Unterstützung einer ukrainischen Militäroffensive im Frühjahr gegen Russland.

Was genau steht in den Veröffentlichungen?

Die veröffentlichten geheimen Dokumente beinhalten US-Medienberichten zufolge unter anderem Informationen zu Waffenlieferungen an die Ukraine und Angaben zum Munitionsverbrauch. Es gibt auch Landkarten, auf denen der Frontverlauf eingezeichnet ist, und Standorte russischer und ukrainischer Truppenverbände und deren Mannschaftsstärken. Einige der als „geheim“ gekennzeichneten Schriftstücke stammten vom Februar und März, wie das Nachrichtenportal „Politico“ berichtete.

Informationen gab es demnach auch zu Plänen der Nato und der USA, wie das ukrainische Militär auf eine bevorstehende Frühlingsoffensive vorbereitet und bewaffnet werden soll. Details zu Anzahl und Art geplanter Waffenlieferungen sowie die voraussichtlichen Lieferdaten seien vermerkt, hieß es.

Analysen und Informationen zu anderen Ländern, wie zum Beispiel China oder Israel, seien ebenfalls in den Dokumenten enthalten, schrieb die Zeitung „Washington Post“. Auch sei teilweise zu erkennen, mit welchen Methoden die US-Geheimdienste die Informationen gesammelt hätten und wer die Quellen seien. Die Unterlagen stammten offensichtlich von verschiedenen US-Geheimdiensten und sogar vom Oberkommando der US-Streitkräfte, berichtete das „Wall Street Journal“. Es scheine sich um Briefing-Unterlagen zu handeln, hieß es.

Der Vorgang habe "das Potenzial, Falschinformationen zu verbreiten", sagte Pentagon-Sprecher Chris Meagher. "Wir untersuchen immer noch, wie das passiert ist und wie groß das Problem ist." Es müsse unter anderem geprüft werden, "wie diese Art von Informationen verteilt werden und an wen". Meagher machte keine Angaben zur Echtheit der aufgetauchten Unterlagen.

Ausbildungspläne neuer Brigaden

Die geheimen US-Regierungsdokumente waren zuvor nach und nach auf Online-Plattformen wie Twitter, Telegram oder Discord und weiteren Plattformen aufgetaucht. Nach Angaben der "New York Times" wurden sie über pro-russische Kanäle verbreitet. Sie enthielten der Zeitung zufolge unter anderem Details über Waffenlieferungen, Bataillonsstärken und andere sensible Informationen. Ein Dokument fasse zudem die Ausbildungspläne von zwölf ukrainischen Kampfbrigaden zusammen.

Nach Einschätzung von US-Medien könnten sich die Unterlagen als äußerst wertvoll für Moskau erweisen. Sie zeigten auch, wie weit US-Geheimdienste bereits in Teile des russischen Militärapparats vorgedrungen seien.

Einige Dokumente sollen laut "New York Times" auch Informationen über interne Debatten in Regierungen von US-Bündnispartnern enthalten - etwa Diskussionen über die Frage, ob Südkorea Artilleriegeschosse für den Einsatz in der Ukraine zur Verfügung stellen sollte.

US-Regierungsmitarbeiter sagten der "Washington Post", einige der Unterlagen seien offenbar manipuliert worden. Allerdings stünden viele andere Dokumente im Einklang mit den Berichten des US-Auslandsgeheimdienstes CIA zur internationalen Lage, die für Führungsebenen des Weißen Hauses, des Pentagons sowie des Außenministeriums bestimmt seien.

 

Die ukrainische Führung hat eine angebliche Abhöraktion der USA gegen Präsident Wolodymyr Selenskyj in Zweifel gezogen. Beratungen des Staatschefs mit dem Militär liefen anders ab als in veröffentlichten Geheimdienstdokumenten dargestellt, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Montag im ukrainischen Fernsehen. Die Beziehungen der Ukraine zu ihren westlichen Partnern seien durch die Veröffentlichungen nicht gefährdet. "Das sind normale Analysen", sagte er.

Auch Pläne zu einer ukrainischen Gegenoffensive würden nicht torpediert, weil daran noch gearbeitet werde. Zuvor hatte es Berichte über Geheimdokumente des US-Verteidigungsministeriums gegeben, wonach Selenskyj Ende Februar in einer Beratung mit der Armeeführung Drohnenangriffe auf Standorte der russischen Armee im Gebiet Rostow vorgeschlagen habe. Das könnte Washington darin bestärkt haben, Kiew keine weitreichenden Waffen zu liefern, hieß es.

 

Der Vorfall weckt Erinnerungen an die Enthüllung von rund 700.000 vertraulichen Dokumenten zu Aktivitäten des US-Militärs im Irak und in Afghanistan durch die Online-Plattform WikiLeaks im Jahr 2010. Darunter befanden sich auch brisante Informationen zur Tötung von Zivilisten und Misshandlung von Gefangenen.

Die USA fordern wegen der Enthüllungen die Auslieferung des 51-jährigen australischen WikiLeaks-Gründers Julian Assange, der in London in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt.

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