Viele russische Rekruten nur schlecht ausgebildet + Weitere Massengräber

Viele russische Rekruten nur schlecht ausgebildet + Weitere Massengräber
In der, von der Ukraine zurückeroberten Stadt Isium sind zwei weitere Massengräber gefunden worden.

Viele durch die jüngste Teilmobilmachung rekrutierte russische Kämpfer ziehen nach Einschätzung britischer Geheimdienste ohne fundierte Ausbildung oder Erfahrung in den Krieg in der Ukraine. Moskau stehe nun vor der enormen Herausforderung, die Truppen zu schulen, hieß es am Montag in einem Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums.

In der russischen Armee sei es im Gegensatz zu vielen westlichen Armeen üblich, eine Erstausbildung innerhalb operativer Einheiten zu durchlaufen statt in speziellen Ausbildungseinrichtungen. Normalerweise werde innerhalb jeder Brigade eine gewisse Zahl an Ausbildern bereitgestellt, die neue Rekruten trainieren würden. Viele dieser sogenannten dritten Bataillone seien jedoch aktuell in die Ukraine entsandt.

Der Mangel an Ausbildern und der überstürzte Ablauf der Teilmobilmachung deute darauf hin, dass viele Soldaten ohne ausreichende Vorbereitung an die Front geschickt würden. Dies mache hohe Verluste wahrscheinlich.

Vor wenigen Tagen machte der Geheimdienst seine Einschätzung publik, wonach Russland im Zuge der Mobilmachung "mit logistischen und administrativen Herausforderungen" zu kämpfen haben werde, "die 300.000 Soldaten auch nur zu mustern." Die neuen Einheiten seien entsprechend "wahrscheinlich monatelang nicht kampffähig." 

Dass Russland die Mobilmachung ausrufen hat lassen, wertet der Geheimdeinst als "ein Eingeständnis, dass Russland seinen Vorrat an willigen Freiwilligen für den Kampf in der Ukraine erschöpft hat."

Weitere Massengräber in Isium entdeckt

In der zurückeroberten Stadt Isium im Osten der Ukraine sind nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij zwei weitere Massengräber gefunden worden. Es gehe um „große Gräber mit Hunderten von Menschen“, sagt Selenskij in einem am Sonntagabend veröffentlichten Interview mit CBS.

Er fordert zudem eine Fortsetzung der Sanktionen gegen Russland. „Diese Sanktionen werden sowohl politische als auch finanzielle Auswirkungen haben.“

Mobilmachung trifft ethnische Minderheiten

Die von Kremlchef Putin angeordnete Teilmobilmachung trifft laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskij ethnische Minderheiten besonders hart. "Wir sehen, dass Menschen, besonders in Dagestan, angefangen haben, um ihr Leben zu kämpfen", sagte Selenskij in seiner Videoansprache in der Nacht zum Montag.

Er bezog sich auf heftige Proteste, die Stunden zuvor in der muslimisch geprägten russischen Teilrepublik Dagestan im Kaukasus ausgebrochen waren.

Bei einem Protest gegen die Mobilmachung von Reservisten waren Polizisten dort am Sonntag Angaben von Bürgerrechtlern zufolge sogar mit Warnschüssen gegen Demonstranten vorgegangen. Russlandweit wurden am Wochenende bei Anti-Kriegs-Protesten in über 30 russischen Städten mehr als 780 Menschen festgenommen, wie die unabhängige Organisation OVD-Info berichtete.

Im Dorf Endirej in Dagestan blockierten Anrainer eine Straße, um so die Mobilisierung zu behindern, wie die Bürgerrechtler mitteilten. Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten Gewehre in die Luft richten, dann sind Schüsse zu hören. Laut dagestanischen Medien war der Protest eine Reaktion darauf, dass aus dem Dorf 110 Männer in den Krieg gegen die Ukraine gezwungen wurden. Auch in Dagestans Hauptstadt Machatschkala gab es größere Proteste.

Scheinreferenden gehen weiter

Im Osten und Süden der Ukraine ziehen die Besatzer die Scheinreferenden über einen Beitritt der Regionen weiter durch. Die international als Bruch des Völkerrechts kritisierten Abstimmungen sind auch in den Gebieten Saporischschja, Donezk und Luhansk noch bis Dienstag angesetzt.

Putin hatte betont, dass Moskau Attacken der Ukraine auf die Gebiete dann künftig wie Angriffe auf sein eigenes Staatsgebiet behandeln und sich mit allen Mitteln verteidigen werde. Der Westen bereitet neue Sanktionen vor als Reaktion auf die Annexion.

In einem Interview des US-Senders CBS News machte Selenskij unterdessen deutlich, dass er Putins Atomdrohungen ernst nehme. "Vielleicht war es gestern ein Bluff. Jetzt könnte es Realität sein", sagte Selenskij laut Übersetzung. Er verwies auf die Gefechte um das von Russland besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja und sagte: "Er (Putin) will die ganze Welt erschrecken. Dies sind die ersten Schritte seiner nuklearen Erpressung. Ich glaube nicht, dass er blufft."

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