Zusammenstöße zwischen Polizei und Salafisten

Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern der Salafisten-Bewegung Ansar al-Sharia ist in Tunesien ein Mensch getötet worden. Knapp 20 weitere Menschen wurden nach Angaben des Innenministeriums bei den Ausschreitungen am Sonntag verletzt. Regierungschef Ali Larayedh warf der Organisation Ansar al-Sharia erstmals Verbindungen zum Terrorismus vor.
Kongress-Verbot als Auslöser
Auslöser der Krawalle war das behördliche Verbot eines Kongresses der islamistischen Bewegung, der eine Nähe zum Terrornetzwerk Al-Kaida nachgesagt wird. Nachdem das Treffen in der Stadt Kairouan nicht abgehalten werden durfte, rief Ansar al-Sharia für Sonntag zu einer Versammlung im Stadtteil Ettadhamen im Westen von Tunis auf. Ettadhamen ist eine Salafisten-Hochburg. Dort kam es zu ersten Ausschreitungen, die sich später ins Nachbarviertel Intilaka verlagerten.
Ein Toter nach Krawallen
Hunderte Anhänger der Bewegung warfen Steine und Brandsätze auf die Sicherheitskräfte. Diese setzten Tränengas ein und feuerten Warnschüsse ab. Außer der Polizei waren auch Einheiten der Armee und der Nationalgarde im Einsatz. Ein Demonstrant sei getötet worden, teilte das Innenministerium mit. Außerdem seien drei Demonstranten und fünfzehn Polizisten verletzt worden.
Augenzeugen meldeten auch aus Kairouan Krawalle. Nach Angaben der Sicherheitskräfte wurden dort 70 Salafisten festgenommen. Kairouan liegt 150 Kilometer südlich von Tunis. Für die Hauptstadt wurde zunächst keine Festnahmen bekannt gegeben. Das Innenministerium sprach lediglich von "einigen Dutzend Festnahmen von Banditen und Salafisten" im ganzen Land. Am Sonntagabend beruhigte sich die Lage.
Terrorverbindungen
Nach den Ausschreitungen warf die tunesische Regierung den Salafisten erstmals Terrorverbindungen vor. Die Organisation sei "in den Terrorismus verstrickt", sagte Regierungschef Larayedh am Sonntagabend im Staatsfernsehen. "Ansar al-Sharia ist eine illegale Organisation, die den Staat herausfordert und provoziert."
Im Internet tauchte eine Unterstützerbotschaft des Terrornetzwerks Al-Kaida auf. Wie das auf die Überwachung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Sonntag mitteilte, forderte ein Mitglied des sogenannten Scharia-Komitees der Al-Kaida im islamischen Maghreb (Aqmi) namens Abu Yahya al-Shankiti die tunesischen Salafisten auf, nicht auf die "Provokationen" der Regierung in Tunis einzugehen. Sie sollten sich "vom Regime nicht provozieren zu lassen" und lieber "Klugheit und Geduld" zeigen sowie die "guten Schritte, die Früchte tragen", weitergehen.
Die in Tunesien regierende Ennahda-Partei, die selbst eine islamistische Ausrichtung hat, wendet sich neuerdings verstärkt gegen die militanten Islamisten. Ansar al-Sharia wirft der Ennahda eine anti-islamische Politik vor und drohte der Regierung mit "Krieg". Nach eigenen Angaben hat die Bewegung 40.000 Anhänger.
Die Dachorganisation Ansar al-Sharia - Kämpfer für islamisches Recht - vereinigt militante Gruppen in mehreren Ländern, die weitgehend unabhängig voneinander agieren. Ansar al-Sharia hat seinen Ursprung im Jemen. Nationale Ableger existieren etwa in Libyen, Tunesien, Ägypten und Marokko.
Die militanten Salafisten vertreten einen rückwärtsgewandten Islam und sehen eine "islamische Ordnung" mit islamischer Rechtsprechung (Scharia) als einzig legitime Staats- und Gesellschaftsform an. Dafür kämpfen sie mit Waffengewalt.
Im Jemen nutzten die Terroristen 2011 das Vakuum aus, das während des Machtkampfes zwischen Anhängern und Gegnern von Ex-Präsident Ali Abdullah Salih entstanden war. Sie brachten für mehrere Monate Teile der Provinz Abyan und weiterer Regionen im Süden des Landes unter ihre Kontrolle. Sie schufen "Sharia-Gerichte" und vollstreckten öffentlich Todesurteile. Die Gruppe verübte im Jemen zudem zahlreiche Terroranschläge. Im Mai 2012 sprengte sich ein Selbstmordattentäter im Zentrum der Hauptstadt Sanaa mitten in einer Militärparade in die Luft. Mindestens 90 Soldaten wurden getötet.
In Libyen geht der Anschlag auf das US-Konsulat in Benghazi auf das Konto des nationalen Ablegers von Ansar al-Sharia. Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner wurden getötet. In Tunesien wird der Gruppe der Angriff auf die US-Botschaft im vergangenen September angelastet. Ansar al-Sharia wird dort zudem für Angriffe auf Kunstgalerien, Polizeireviere und Kinos verantwortlich gemacht.
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