Autorin Asli Erdogan wird aus Haft entlassen
Viereinhalb Monate saß Aslı Erdogan im Istanbuler Frauengefängnis Bakırköy in Untersuchungshaft ehe am Donnerstag der Prozess gegen sie und acht weitere Angeklagte begann. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Darauf steht in der Türkei lebenslange Haft. Doch Asli Erdogan, die außer dem Nachnamen so gar nichts mit dem türkischen Staatschef gemein hat, leidet an einer chronischen Erkrankung, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die 50-Jährige ist auf ärztliche Behandlung angewiesen. Dass das Gericht am ersten Prozesstag die Entlassung Erdogans und zweier weiterer Beschuldigter anordnete, könnte der mehrfach preisgekrönten Romanautorin das Leben retten.
Wie den anderen Beschuldigten, so ist auch Aslı Erdogan ihre Verbindung zur inzwischen geschlossenen prokurdischen Zeitung Özgür Gündem zum Verhängnis geworden. Die türkischen Behörden sehen das Blatt als Sprachrohr der PKK. Erdogan hatte unter anderem Kolumnen für die Zeitung geschrieben und saß in einem vor allem symbolischen Beratungsgremium des Blattes. Im August wurde sie bei einer Razzia gegen Özgür Gündem festgenommen. Seitdem ist sie laut SZ zu einer Symbolfigur für die Willkür des türkischen Staates geworden. "Gefährdet war sie seit den Neunzigerjahren, als sie ihre Karriere als Kernphysikerin aufgab, sich ganz dem Schreiben zuwandte" und sich als politische Autorin für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage einsetzte.
Twitter-Nachrichten als Beweismittel
Während Erdogan aus der Haft entlassen werden muss, wurde ein weiterer prominenter Autor und regierungskritischer Journalist unter Terrorverdacht festgenommen. Auch Ahmet Sik wird PKK-Propaganda und Beleidigung von Staatsorganen vorgeworfen. Grundlage seien Artikel in der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet und Twitter-Nachrichten Siks.
Baris Yarkadas, Abgeordneter der Oppositionspartei CHP, sagte, Sik sei für die ersten fünf Tage im Polizeigewahrsam der Kontakt zu einem Anwalt untersagt worden. Yarkadas hatte zuvor nach eigenen Angaben mit Sik gesprochen. Nach den derzeit geltenden Notstandsdekreten kann Festgenommenen fünf Tage lang der Kontakt zum Anwalt untersagt werden. Sie können bis zu 30 Tage lang festgehalten werden, bevor sie einem Haftrichter vorgeführt werden müssen.
"Prozess ist Skandal"
Den Prozess gegen Asli Erdogan und die anderen Angeklagten bezeichnete Yarkadas als „Skandal“. Der Fall hätte nie vor Gericht gebracht werden dürfen, sagte er. „Die Türkei ist vollständig zur Hölle für Journalisten geworden.“
Der Prozess gegen Asli Erdogan begann unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit. Der Andrang am Gerichtsgebäude Caglayan war so groß, dass der Richter nur einem Teil der Beobachter Zugang zur Verhandlung gewährte.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte die türkische Justiz vor Prozessauftakt scharf kritisiert und den Behörden „Missbrauch des Strafrechts auf Kosten der freien Meinungsäußerung“ vorgeworfen. Die 1967 in Istanbul geborene Asli Erdogan ist international bekannt. Ihre Bücher wurden unter anderem im Züricher Unionsverlag publiziert.
Sik gehört zu den prominentesten Kritikern der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Staatschef Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch Mitte Juli verantwortlich macht. Siks Buch „Die Armee des Imam“ wurde 2011 noch vor der Veröffentlichung verboten, er selber saß ein Jahr in Untersuchungshaft. Sik kritisiert aber auch die jahrelange Förderung Gülens durch die Regierungspartei AKP und vor allem durch Erdogan bis zum öffentlichen Bruch 2013.
In einem dpa-Interview hatte Sik Mitte August gefordert: „Fethullah Gülen und Recep Tayyip Erdogan müssen wegen Bildung und Leitung einer Organisation zusammen vor Gericht gestellt werden.“ Die Behörden gehen seit dem Putschversuch verstärkt gegen Regierungskritiker vor.
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