Merkel zu Türkei: Grundrechte "nicht verhandelbar"

Die deutsche Kanzlerin macht die Wahrung der Menschenrechte zur Bedingung für den EU-Beitritt.

Deutschland knüpft die Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei an die Wahrung der Menschenrechte in dem Kandidatenland. Die "europäischen Werte" wie Demonstrationsfreiheit, Meinungsfreiheit oder Religionsfreiheit seien "nicht verhandelbar für uns", betonte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag in Berlin. Nach der Gewalt gegen Demonstranten könne nicht so getan werden, als wäre nichts geschehen.

Wegen des umstrittenen Vorgehens gegen regierungskritische Demonstranten hatte Deutschland kürzlich die Eröffnung eines weiteren Verhandlungskapitels in den Gesprächen mit der Türkei blockiert. Merkel betonte am Donnerstag, dass die Türkei ein wichtiger Partner sei. "Doch unsere europäischen Werte der Demonstrationsfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Rechtsstaatlichkeit, der Religionsfreiheit, die gelten immer. Sie sind nicht verhandelbar für uns."

Türkei will Twitter-Zugriff

Merkel zielt damit auch einige diskussionswürdige Schritte des türkischen Premiers Erdogan ab - zuletzt hatte die Regierung einen härteren Zugriff auf den Kurznachrichtendienst Twitter, den viele Demonstranten als Sprachrohr nutzten, gefordert. Twitter müsse ebenso wie andere soziale Medien ein Büro in der Türkei haben, sagte Kommunikations-Minister Binali Yildirim am Mittwoch. "Wenn wir Informationen haben wollen, wollen wir, dass es jemanden in der Türkei gibt, der uns das liefern kann. (...) Es muss einen Ansprechpartner geben, dem wir eine Beschwerde übermitteln können, und der dann einen Fehler beheben kann, wenn es einen Fehler gibt."

Im Juni waren wiederholt tausende Menschen in türkischen Städten gegen Erdogan auf die Straßen gegangen. Dabei ging die Polizei zum Teil mit Wasserwerfern und Tränengas gegen die Demonstranten vor. Erdogan hatte die Protestierer unter anderem als "Terroristen" bezeichnet. Seine harte Reaktion hatte in vielen Ländern Besorgnis ausgelöst, Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich bereits damals "erschrocken" gezeigt.

Während die meisten türkischen Medien die Proteste am Anfang kaum thematisierten, waren sie etwa auf Twitter oder Facebook allgegenwärtig. Erdogan hat Dienste wie Twitter als "Plage" bezeichnet, die Lügen über die Regierung verbreiten, um die Gesellschaft zu terrorisieren. Örtlichen Medien zufolge soll die Polizei mehrere Dutzend Personen festgenommen haben, denen sie vorwirft, während der Proteste über soziale Medien Unruhen geschürt zu haben.

Maulkorb für "Provokateure"

Das türkische Innenministerium hat bereits jüngst mitgeteilt, es arbeite an neuen Regeln, die auf "Provokateure" in sozialen Medien abzielten. Details dazu sind noch unklar. Ein Insider sagte, das Justizministerium habe vorgeschlagen, dass jeder Türke, der einen Twitter-Account einrichten wolle, sich mit seiner nationalen Identifikationsnummer anmelden müsse. Ein anderes Ministerium habe das als "technisch unmöglich" abgelehnt.

Die Türkei hatte in der Vergangenheit bereits Erfolg bei ihrem Bemühen nach mehr Zugriff auf soziale Medien. So hatte die Regierung nach eigenen Angaben 2012 nach längerem Streit erreicht, dass die Filme-Plattform Youtube in der Türkei unter einer türkischen Web-Domain arbeitet. Damit hat das Land mehr Kontrolle über Youtube und kann zudem die Zahlung von Steuern fordern. Die Türkei hatte Youtube zuvor zwei Jahre lang verbannt, nachdem über die Plattform Filme verbreitet wurden, die nach Meinung der Regierung den Republik-Gründer Kemal Atatürk verunglimpften.

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