Tsipras bei Putin: Schelling bleibt gelassen

Porträt eines Mannes mit grauem Haar und Schnurrbart.
Vor dem Besuch des Griechen in Moskau beruhigt Schelling. Tsipras könne mit "allen Partnern sprechen".

Finanzminister Hans Jörg Schelling sieht den Moskau-Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras gelassen: Russland könne die finanziellen Probleme Griechenlands nicht lösen, sagte Schelling im Ö1-Morgenjournal des ORF-Radios vom Mittwoch. Sollte Athen aber im Alleingang das russische Embargo für EU-Waren umgehen, wäre dies "ein Riesenproblem".

"Es wäre ein politisch schwieriges Unterfangen, wenn eines der europäischen Länder aus dem Mechanismus der Europäischen Union gegen Russland ausscheren würde", sagte Schelling im Hinblick auf den Lebensmittel-Importstopp, den Russland gegen EU-Länder verhängt hat. Dass Griechenland diese Embargo umgeht, hält Schelling allerdings "für nicht sehr wahrscheinlich".

Stellt Russland Geldmittel zur Verfügung?

Bei dem Moskau-Besuch gehe es weniger um ein "Zusammenrücken" zwischen Russland und Griechenland, so Schelling, "sondern ob Russland allfällig bereit ist, Geldmittel und Kredite zur Verfügung zu stellen". Der Finanzminister meint aber: Die Griechen hätten ein großes finanzielles Problem und seien sich "völlig bewusst, dass sie ohne die EU dieses Problem nicht lösen können. Daher ist meine Sorge eine eingeschränkte". Und er ergänzte: "Russland würde diese Beträge auch gar nicht zur Verfügung stellen können."

Es ist nach Ansicht Schellings für Tsipras "legitim, mit allen Partnern zu sprechen". "Ich sehe es aber so, dass Griechenland sich dazu bekannt hat, in der Europäischen Union und im Euro zu verbleiben, und ich geh davon aus, das diese Zusage auch so hält."

Der Finanzminister forderte von Griechenland nun, "glaubhaft zu versichern", dass es Reformschritte angeht. "Wir stehen unter enormem Zeitdruck", sagte Schelling, der auch zugab, "nicht genervt, sondern ungeduldig" zu sein. "Man muss dieser griechischen Regierung zugestehen, dass sie wenig politische Erfahrung hat und natürlich in einem Lernprozess ist." Dieser Prozess müsse aber enden und "die Professionalität muss jetzt greifen".

Enttäuschung in der Ukraine

Der ukrainische Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius hat sich enttäuscht über den Besuch von Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras in Moskau gezeigt. "In unserem Land wurden Menschen verschleppt, verprügelt, gefoltert und haben ihr Leben verloren, weil sie für die Werte Europas aufgestanden sind. Es ist enttäuschend zu sehen, dass einige Nationen in Europa kurzzeitige ökonomische Vorteile über das Leben von Menschen heben", sagte Abromavicius dem "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe). Der Minister warnte zudem die EU-Staaten vor dem Aufweichen ihrer Sanktionen gegen Russland.

Kein Weg scheint für die griechische Regierung der radikalen linken Partei Syriza zu weit, um finanzielle Unterstützung für das Land zu suchen. Während Finanzminister Yanis Varoufakis Ende vergangener Woche nach Washington flog, begibt sich Premier Alexis Tsipras heute, Mittwoch, auf einen zweitägigen offiziellen Besuch nach Moskau. Auf dem Arbeitsprogramm: Treffen mit Präsident Wladimir Putin und seinem russischen Kollegen Dmitri Medwedew in der Hoffnung auf billiges russisches Gas für Griechenland und Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen.

Die schwierige Finanzlage Athens soll auch diskutiert werden. "Wir schließen nicht aus, alle möglichen Fragen zur Debatte zu stellen, man muss sich aber nicht nur auf die Kredit- und Finanzfragen fixieren", sagte Putins Sprecher Dmitri Peskov. Bereits vor Wochen hat Russland den Griechen finanzielle Hilfe angeboten.

Washington winkte ab

Athen verhandelt immer noch mit seinen internationalen Kreditoren EU, EZB und IWF über die Freigabe der letzten 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungspaket. Das Trio, das man in Athen nun "die Institutionen" zu nennen pflegt, beharrt auf ein straffes Reformprogramm als Gegenleistung für die Gelder. Griechenland möge sich den Verhandlungen mit den Kreditoren "völlig widmen", bekam Varoufakis in Washington zu hören.

Aus Moskau kommen andere Töne. So will Russland nach der Kontrolle von 20 griechischen Lebensmittelunternehmen Anfang Mai "grünes Licht" für Exporte nach Russland geben. Danach sollen Zypern und Ungarn auf Exporttauglichkeit untersucht werden – alles Länder, die sich gegen die EU-Sanktionen gegen Russland gestellt haben.

Unmut Brüssels

"Der Weg (der EU-Sanktionen, Anm.) führt nirgends hin", sagte Tsipras vor einigen Tagen gegenüber der russische Nachrichtenagentur Itar-TASS in einem Exklusiv-Interview. Ob Moskau für Athen die richtige Richtung ist, ist aber fraglich. Brüssel hat seinen Unmut über Tsipras’ Russland-Reise jedenfalls bereits laut verkündet.

Übrigens sollte Tsipras ursprünglich im Mai nach Russland fliegen. Es gibt keine offizielle Begründung, warum er den Besuch um einen Monat vorgezogen hat. Beobachter vermuten, Athen wolle die Beziehungen zu Moskau als Druckmittel in den Verhandlungen mit den Kreditoren ausspielen.

Günstiges Gas für Athen

Es geht aber auch um Gas, das Griechenland fast zu 100 Prozent durch Importe decken muss. Ende März traf Energieminister Panagiotis Lafasanis in Moskau seinen russischen Amtskollegen Alexander Novak und Gazprom-Chef Alexei Miller. Griechenland hofft, am neuen Gaspipeline-Projekt von Russland und der Türkei teilnehmen zu dürfen. Putin und sein türkischer Amtskollege Erdogan hatten sich im Dezember über den Bau vom "Turkish Pipeline" geeinigt. Es ist als Ersatz des geplanten South Stream Projekts gedacht, ob es aber überhaupt zustande kommt, ist noch unklar.

Tsipras ist der erste griechische Premier seit fünf Jahren, der Putin besucht. Und obwohl seine Syriza ein gespanntes Verhältnis zur griechisch-orthodoxen Kirche hat, besucht Tsipras in Moskau auch das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill. Dabei geht es um die für 2016 geplante Initiative "Jahr von Griechenland in Russland" und "Jahr von Russland in Griechenland".

Wegen der Destabilisierung der Ost-Ukraine hat die Europäische Union im Juli 2014 weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, die Moskau umgehend mit einem Import-Embargo für europäische Agrarprodukte beantwortete. Zuvor hat die EU bereits wegen der Krim-Annexion russische Politiker und Separatisten in der Ukraine sanktioniert. Im Folgenden ein Überblick:

Am schmerzlichsten für Russland sind die Wirtschaftssanktionen, welche die EU als Reaktion auf Moskaus Unterstützung der Rebellen in der Ost-Ukraine verhängt hat. Fünf staatliche russische Banken wurden vom EU-Kapitalmarkt gesperrt, es sind dies die Sberbank, die VTB-Bank, die VEB-Bank, die Gazprom-Bank und die Rosselkhoz-Bank. Auch drei russische Ölkonzerne (Rosneft, Transneft, Gazprom Neft) und drei Rüstungskonzerne (OPK Oboronprom, United Aircraft Corporation, Uralvagonzavod) dürfen sich nicht mehr über den EU-Kapitalmarkt finanzieren.

Außerdem gilt von Seiten der EU für Russland ein Export- und Importverbot von Militärgütern, ein Exportverbot für Dual-Use Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Auch Schlüsseltechnologien im Erdölbereich dürfen nicht mehr von der EU nach Russland exportiert werden.

Abseits dieser Wirtschaftssanktionen hat die EU mit einer Reihe anderer Strafmaßnahmen auf die Ukraine-Krise und die Krim-Annexion reagiert. Die EU verhängte Vermögens- und Visasperren gegen 151 Einzelpersonen, darunter sind unter anderem der Vorsitzende der Staatsduma Sergej Naryschkin, die Vorsitzende des Föderationsrates Valentina Matwijenko, der russische Vize-Regierungschef Dmitri Rogosin und der moskautreue Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow. Eingefroren wurde auch das Vermögen von 37 Organisationen, darunter die von den Separatisten ausgerufenen "Volksrepubliken" Donezk und Lugansk. Außerdem hat die EU neuen Finanzprojekte für Russland im Rahmen der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) auf Eis gelegt.

Spezielle Sanktionen hat die EU gegen die Krim verhängt, um ihre Nicht-Anerkennung der Annexion durch Russland zu verdeutlichen. Es gilt ein EU-Importverbot für Waren, die nicht von der Ukraine zertifiziert sind. Für EU-Firmen und EU-Bürger ist ein generelles Investitionsverbot in Kraft. Europäische Unternehmen dürfen auch keinen Krim-Tourismus mehr anbieten, europäische Kreuzfahrtschiffe nicht mehr auf der Krim anlegen. Darüber hinaus gilt ein Exportverbot für bestimmte Waren und Technologien im Energie-, Telekom- und Transportbereich.

Infolge des russischen Importverbotes sind die EU-Agrarexporte nach Russland nach Angaben der EU-Kommission zwischen August und Dezember 2014 um 38 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum eingebrochen. Die Agrar-Ausfuhren der EU nach Russland gingen von rund 5 Mrd. Euro auf 3 Mrd. Euro zurück. Die Exporte der EU-Staaten von Käse reduzierten sich um 19 Prozent, Obst und Gemüse um 12 Prozent und Butter um 4 Prozent.

In vielen Fällen habe die EU aber die Verluste wettgemacht, indem neue Absatzmärkte erschlossen wurden, erklärt die EU-Kommission. So seien die Schweinefleisch-Exporte gegenüber 2013 etwa gleich geblieben durch verstärkte Ausfuhren nach Asien. Bei Rindfleisch habe die EU ein plus von zehn Prozent verzeichnet durch Verlagerung der Absatzmärkte auf die Türkei und Asien. Mehr Geflügel-Ausfuhren nach Afrika hätten zu einem plus von drei Prozent in diesem Bereich geführt. Insgesamt hat die EU nach Angaben der Brüsseler Kommission von August bis Dezember 2014 ein Plus von zwei Prozent ihrer Agrarexporte in Drittstaaten verzeichnet.

Griechenland, das sich jetzt um eine Aufhebung der russischen Sanktionen für "seine" Obstbauern bemüht, stellte vor der Ukraine-Krise rund 4 Prozent der gesamten EU-Obstausfuhren nach Russland.

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