"Schande": Kritik an Trump in den USA so heftig wie nie zuvor

Gouverneure, führende Kongressabgeordnete, Parteigranden: In der Partei regt sich Widerstand gegen den eigenen Präsidenten.

Er ist todkrank und doch mehr denn je das moralische Gewissen Amerikas und seiner republikanischen Partei: Und John McCains Urteil über den Auftritt Donald an der Seite von Wladimir Putin ist vernichtend: "Kein früherer Präsident hat sich jemals entsetzlicher vor einem Tyrannen erniedrigt." Doch es ist nicht nur der überzeugte Trump-Gegner Putin, eine ganze Reihe maßgeblicher Republikaner macht jetzt offen Front gegen den Präsidenten und bringt ihn damit wenige Monate vor den Kongresswahlen in den USA massiv unter Druck. So wurde etwa Ohios Gouverneur John Kasich, der schon bei den letzten Präsidentschaftswahlen gegen Trump ins Rennen gegangen war, mehr als deutlich: "Trump liegt, um es deutlich zu machen, einfach falsch und handelt nicht im Interesse Amerikas." Und auch Newt Gingrich, einst großer Gegenspieler Bill Clintons und immer noch eine gewichtige Stimme der Republikaner, nannte Trumps Auftritt neben Putin "den schlimmsten Fehler seiner Präsidentschaft."

Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, rief seinen Parteifreund Trump auf, anzuerkennen, dass Russland kein Verbündeter sei. Auch Senats-Fraktionschef Mitch McConnell sagte: „Russland ist nicht unser Freund.“ Sogar Fox-News-Moderatoren - immerhin Trumps Lieblingssender -  fanden drastische Worte: „Das war keine besonders starke Vorstellung“, sagte Stuart Varney. Sein Kollege Neil Cavuto fand den Auftritt des Präsidenten sogar „widerlich“.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, der Republikaner Bob Corker, sah Putin, den gewieften ehemaligen KGB-Geheimdienstmann, gestärkt durch den Gipfel. „Wir tippen, dass er gerade Kaviar isst.“ Tatsächlich schienen in Moskau nach dem Helsinki-Gipfel die Sektkorken zu knallen. „Besser als Super“, twitterte Außenminister Sergej Lawrow.

Für die Republikaner wird Trumps Kurs gegenüber Russland, aber auch sein zerstörerischer Umgang mit den europäischen Alliierten immer mehr zur Grundsatzfrage. Schließlich sind große Teile der Partei überzeugte Kalte Krieger und daher Gegner Russlands. Sie setzen auf Geschlossenheit der NATO, vor allem in der Konfrontation mit Russland in Europa. Ihre Forderungen sind unter anderem die militärische Aufrüstung der Ukraine, um die von Russland unterstützten Separatisten im Osten des Landes zu besiegen. Trumps unsaubere Russland-Beziehungen sind ihnen dabei ein Dorn im Auge, er paktiert in ihren Augen mit dem Feind. Andererseits hat Trump ihnen ganz neue Wählerschichten, vor allem unter den Arbeitern, eröffnet, ohne seine Unterstützung sind viele Kongresswahlen, ohne ihn die Präsidentschaftswahl 2020 nicht zu gewinnen.

 

 

Auch bei den oppositionellen Demokraten im Kongress haben Trumps Äußerungen an der Seite des russischen Staatschefs empörte Reaktionen ausgelöst.

In der gesamten Geschichte der USA habe noch nie ein Präsident einen "Widersacher" derart unterstützt, wie dies Trump jetzt getan habe, erklärte am Montag der Chef der oppositionellen Demokraten im Senat, Chuck Schumer. Kritik kam auch von einigen Republikanern.

Trump hatte es in einer Pressekonferenz mit Putin in Helsinki unterlassen, auf die Frage eines Reporters die mutmaßlichen russischen Cyberinterventionen in den US-Wahlkampf 2016 zu verurteilen. Zwar habe er "großes Vertrauen in meine Geheimdienst-Leute", sagte der US-Präsident. Doch sei Putin in seinem Dementi einer Wahlkampfeinmischung "extrem stark und kraftvoll" gewesen.

Die US-Justiz hatte am Freitag wegen der Cyberattacken zwölf Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdienstes GRU angeklagt. Die Angriffe hatten sich unter anderem gegen die Parteizentrale der Demokraten und die Wahlkampagne von deren Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gerichtet.

"Gedankenlos, gefährlich und schwach"

Schumer schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, dass Trump zusammen mit Putin gegen die Strafvollzugsbehörden und Geheimdienste der USA Stellung beziehe, sei "gedankenlos, gefährlich und schwach". Millionen von US-Bürgern fragten sich, ob die mögliche Erklärung für dieses Verhalten ihres Präsidenten sei, dass Putin "schädliche Informationen" über Trump in der Hinterhand habe.

 

Der oppositionelle Abgeordnete Jimmy Gomez warf Trump vor, das eigene Land an Russland zu "verkaufen". Sein Versäumnis, die USA zu verteidigen, "ist am Rande des Hochverrats". Alle US-Bürger "sollten besorgt sein".

Ein weiterer demokratischer Abgeordneter, Adam Schiff, schrieb auf Twitter, Putin werde die Äußerungen Trumps als grünes Licht für eine Einmischung in die bevorstehenden Kongresswahlen im November ansehen, und das sei es auch.

Auch einige prominente Kongressmitglieder von Trumps Republikanischer Partei missbilligten Trumps Verhalten Helsinki. Er sei davon "sehr enttäuscht", sagte der Vorsitzende des Außenausschusses im Senat, Bob Corker. Dass Trump es unterlassen habe, die Arbeit seiner eigenen Geheimdienste zu verteidigen, sei ein "trauriger Punkt". Putin wiederum habe viel aus diesem Treffen herausgeholt, "ich würde annehmen, er isst jetzt gerade Kaviar".

"Schlechter Tag für die Vereinigten Staaten"

Der republikanische Senator Lindsey Graham beklagte einen "schlechten Tag für die Vereinigten Staaten". Trumps Äußerungen zu den Cyberattacken würden von Russland als "Zeichen der Schwäche" gesehen werden, monierte der Republikaner. Für Senator John McCain stellt Trumps Auftritt bei dem Gipfel in Helsinki gar einen "Tiefpunkt in der Geschichte der amerikanischen Präsidentschaft" dar. "Die heutige Pressekonferenz in Helsinki war eine der schändlichsten Aufführungen eines amerikanischen Präsidenten seit Menschengedenken", so der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Senat,

Der republikanische Senator Jeff Flake sprach wie der Demokrat Schumer von einem beschämenden Auftritt. Er hätte nie gedacht, dass er jemals den Tag erleben werde, da ein US-Präsident mit einem russischen Präsidenten auf einer Bühne stehe, und die USA für die Aggression Russlands verantwortlich mache.

Trump machte vor allem die Regierung seines Vorgängers Barack Obama, für die Verschlechterung der Beziehungen zu Russland mitverantwortlich. Der frühere CIA-Chef John Brennan sagte, Trumps Äußerungen grenzten an Hochverrat. Sie seien nicht nur idiotisch. Putin habe ihn damit völlig in die Tasche gesteckt. "Republikanische Patrioten: Wo seid ihr?", fragte er.

Der Präsident des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, sagte, es gebe keine Zweifel, dass sich Russland in die Präsidentenwahl eingemischt habe. Trump müsse anerkennen, dass Russland kein Verbündeter der USA sei, sagte der republikanische Politiker. Die Staaten seien nicht moralisch ebenbürtig. Russland lehne die meisten Grundwerte und Ideale Amerikas ab. "Die Vereinigten Staaten müssen sich darauf konzentrieren, Russland zur Rechenschaft zu ziehen und seine bösartigen Angriffe auf die Demokratie zu stoppen", forderte er.

"Besser als super"

Die russische Machtelite bewertete die Ergebnisse des Gipfeltreffens zwischen Putin und Trump dagegen äußerst positiv. Das Treffen sei "besser als super" verlaufen, sagte Außenminister Sergej Lawrow der Agentur Tass zufolge am Montag in Helsinki. Dieselbe Formulierung hatte er bereits 2015 bei Ukraine-Verhandlungen im weißrussischen Minsk verwendet.

Der Moskauer Außenpolitiker Konstantin Kossatschow sagte, die Annäherung der beiden Präsidenten sei das maximal mögliche Ergebnis gewesen. "Dies kann ein guter Anfang sein, um die regelmäßige Interaktion wieder herzustellen", sagte der Vorsitzende des Außenausschusses im Föderationsrat (zweite Parlamentskammer neben der Duma, Anm.). Die Vorsitzende des Föderationsrates, Valentina Matwijenko, ergänzte, das Ergebnis sei auch ein gutes Signal für die Stabilität in der Welt.

Trump war nach dem Gipfeltreffen mit Wladimir Putin unterdessen wieder auf dem Weg in die USA. Er habe Finnland verlassen, erklärte die dortige Polizei. Die Präsidentenmaschine Air Force One hob am Montagabend auf dem Flughafen Helsinki-Vantaa ab. Zuvor hatten Trump und Putin ihr erstes Gipfeltreffen als Erfolg gewertet.

Putin ließ wissen, er sei zufrieden mit dem Gipfel. Gerade das lange Gespräch unter vier Augen sei wichtig gewesen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Auch Trump hatte diesen Teil der Begegnung, die über zwei Stunden dauerte, als "sehr, sehr guten Beginn" gelobt. "Was immer man sagt, aber so ein erstes umfassendes Treffen der Präsidenten ist sehr wichtig. Es ist wichtig, damit sich im Folgenden die entsprechende "Chemie" zwischen den beiden Präsidenten entwickeln kann", sagte auch Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow.

US-Geheimdienste halten nach Gipfel an Warnung vor Russland fest

Trotz der weichen Haltung von Trump gegenüber seinem russischen Amtskollegen halten die US-Geheimdienste an ihren eindringlichen Warnungen vor Russland fest. "Wir sind in unseren Einschätzungen der russischen Einmischung bei der Wahl 2016 und den anhaltenden tief greifenden Bemühungen zur Aushöhlung unserer Demokratie deutlich gewesen", teilte US-Geheimdienstkoordinator Dan Coats am Montag mit. "Wir werden weiterhin ungeschminkte und objektive Informationen zur Unterstützung unserer nationalen Sicherheit liefern."

Coats hatte erst am Freitag geäußert: "Die Warnlichter blinken wieder rot. Die digitale Infrastruktur ist heute buchstäblich unter Angriff." Täglich verübten "ausländische Akteure" wie Russland, China, der Iran oder Nordkorea Cyber-Angriffe auf Ziele in den USA. Russland sei dabei "ohne Frage der aggressivste ausländische Akteur".

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