Tote am Golan: UNO-Sicherheitsrat war seit 2012 informiert

Tote am Golan: UNO-Sicherheitsrat war seit 2012 informiert
UNO-Truppe berichtete damals von Angriff der "Opposition" auf syrische Sicherheitskräfte. Der Vorfall sei bekannt gewesen.

In der Affäre um offenbar von österreichischen Blauhelmen in den Tod geschickte Syrer haben sich nun auch die Vereinten Nationen eingeschaltet. "Die UNO erwartet von ihren Blauhelmen, dass sie zu aller Zeit die höchsten professionellen und ethischen Standards zeigen und befolgen", sagte ein UNO-Sprecher in New York auf APA-Anfrage. Er sprach von einem "verstörenden Video".

"Wir werden dieser Frage aktiv in Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden nachgehen", betonte der Sprecher der UNO-Friedenssicherungskräfte. Man habe das Video "online über öffentlich zugängliche Quellen" gesehen, sagte er.

Fall "öffentlich berichtet"

Der Vorfall selbst sei bekannt gewesen. "Am 29. September 2012 berichtete UNDOF, dass sie sahen, wie neun syrische Sicherheitskräfte von 13 bewaffneten Männern der Opposition in der Pufferzone getötet wurden, in der Nähe der UNO Position Hermon Süd im Gebiet Mount Hermon", heißt es in einer der APA übermittelten schriftlichen Stellungnahme. Der UNO-Sicherheitsrat sei damals von dem Vorfall informiert worden, und er sei auch "öffentlich im Bericht des UNO-Generalsekretärs vom 30. September 2012 berichtet worden".

Der Sprecher äußerte sich nicht zur Frage, ob die Blauhelme durch UNO-Regeln an einem Einschreiten gehindert waren. Die Friedenstruppen sind zu Zurückhaltung angehalten und dürfen Waffen nur zur Selbstverteidigung einsetzen. Allerdings betonte der Wiener Völkerrechtler Manfred Nowak gegenüber der APA, dass die gebotene Neutralität nur zwischen den Konfliktparteien - in diesem Fall Israel und Syrien - gelte. Die Blauhelme hätten "die Pflicht gehabt, die Syrer zu warnen". Schlimmstenfalls könnte den UNO-Soldaten eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen, weil sie den Syrern "wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben" hätten.

Nichts von dem Vorfall gewusst haben, will der 2012 amtierende österreichische Verteidigungsminister, Norbert Darabos (SPÖ). "Ich bin in Kenntnis gesetzt worden vom ORF-Teletext", sagte Darabos am Freitagnachmittag in Anspielung auf die aktuellen Medienberichte. "An mich als Minister ist so ein Vorfall nie herangetragen worden."

Andernfalls wäre er selbstverständlich eingeschritten. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, sei er dafür, die Betroffenen aus dem Bundesheer zu werfen.

UNO-Kommandant umstritten

Wie nun bekannt wurde, ereignete sich der Vorfall unter dem Kommando des indischen Generals Iqbal Singh Singha, der zwei Jahre später wegen eines Konflikts mit philippinischen UNO-Soldaten ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist. Diese hatten nämlich im August 2014 einen Befehl Singhas missachtet, sich syrischen Rebellen beim Grenzposten Quneitra zu ergeben.

Wie die indische Zeitung The Telegraph damals berichtete, seien die philippinischen UNO-Soldaten in Panik geraten, weil zuvor über 40 Blauhelme aus Fidschi von Kämpfern der syrischen Al-Nusra-Front als Geiseln genommen worden waren. Die Filipinos widersetzten sich daher dem Befehl des indischen Kommandanten, gegenüber den heranstürmenden Rebellen die Waffen niederzulegen. Stattdessen lieferten sie sich mehrstündige Gefechte mit den Rebellen und flohen in Richtung Israel, indem sie einen Grenzzaun durchschnitten.

Singha warf den philippinischen UNO-Soldaten vor, mit ihrem Vorgehen das Leben von Blauhelmen gefährdet zu haben. Sie hätten sich "undiszipliniert" und "ungehorsam" verhalten und seien "in Panik verfallen", berichtete er der New Yorker UNO-Zentrale. Mit ihrem Vorgehen hätten sie auch die Bemühungen konterkariert, die festgehaltenen Blauhelme aus Fidschi freizubekommen. Singha hatte sich zuvor zuversichtlich gezeigt, ihre Freilassung zu erwirken. Schließlich sei ihm das zuvor schon vier Mal gelungen, schrieb die Zeitung. Tatsächlich wurden sie dann im September freigelassen.

Keine Warnung

Die Wiener Stadtzeitung Falter hatte am Freitag ein Video veröffentlicht, mit dem die Blauhelme die Errichtung des Hinterhalts ebenso dokumentierten wie ihren Kontakt mit dem Auto der syrischen Geheimpolizei. Die Syrer blieben auf ihrer Fahrt in den Tod an einem österreichischen Checkpoint stehen, wurden von den Blauhelmen aber offenbar ohne Warnung in Richtung des Hinterhalts weitergewunken. Aus den Aussagen der Blauhelme geht hervor, dass sie von einer Tötung der Syrer ausgingen. "Normal musst das de Hund sagen", sagte einer der Blauhelme nach der Weiterfahrt seinem Kollegen. Begründung: "Wenn da aner überbleibt, kummt er umma und schießt uns ab."

Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) gab nach Bekanntwerden des Videos die Einsetzung einer Untersuchungskommission bekannt. Sie hat am Samstag ihre Arbeit aufgenommen, wie Ministeriumssprecher Michael Bauer auf Twitter mitteilte.

"Als erster Schritt werden alle Meldungen, Befehle, Gesetze und Vorschriften, die für die Klärung relevant sein könnten, gesammelt, gesichtet und ausgewertet", schrieb Bauer. "Die UN werden von uns zur Mitarbeit eingeladen."

Die Kommission soll auch klären, ob der Vorfall zum ein paar Monate später erfolgten überstürzten Abzug der österreichischen UNO-Soldaten vom Golan geführt hat. Die Liste Pilz forderte, dass die Untersuchungskommission "absolut unabhängig" sein müsse und behielt sich die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrates vor. Der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) sagte der APA am Freitag, er habe aus dem Teletext von dem Vorfall erfahren. Der jetzige burgenländische Soziallandesrat, der jüngst scharfe Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Streit um die Mindestsicherung geübt hatte, zeigte sich verwundert darüber, dass das Video gerade jetzt bekannt geworden sei.

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