Thais dürfen zwar wieder wählen, doch Militär behält Kontrolle

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Juntachef Prayut will ziviler Premier werden. Liberaler Milliardär Thanathorn als Hoffnungsträger vieler Jugendlicher.

Am kommenden Sonntag dürfen die Thailänder erstmals seit dem Militärputsch von Mai 2014 wieder ein Parlament wählen. Die mehrfach verschobene Wahl bedeutet allerdings nicht, dass die Demokratie in Thailand wieder vollständig hergestellt wird. Das Militär will auch weiterhin die Zügel fest in der Hand halten.

Im August 2016 hatte die Junta in einer umstrittenen Volksabstimmung eine neue Verfassung durchgesetzt. Diese gibt der Armee unter anderem das Recht, sämtliche Mitglieder des Oberhauses zu bestimmen. Außerdem reservierte sie mehrere Sitze im Senat für Militärs.

Bereits am vergangenen Sonntag durfte ein Teil der über 51 Millionen Wahlberechtigten seine Stimme abgeben. Laut Medienberichten lag die Wahlbeteiligung bei rund 75 Prozent.

Das Parlament wird aus 500 gewählten Abgeordneten bestehen und der Senat aus 250 Senatoren, die von dem vom Militär kontrollierten "Nationalen Rat für Frieden und Ordnung" ernannt werden.

Parlamentswahl in Thailand

Beobachter erwarten ein gutes Abschneiden der mit dem Militär verbündeten Partei und ihres Spitzenkandidaten, Junta-Chef Prayut Chan-o-cha, der künftig als ziviler Regierungschef amtieren will. Seine Partei Palang Pracharat ("Volkspartei der Staatsmacht") präsentiert sich als Ordnungsfaktor in einem Land, das jahrelang von teils blutigen politischen Auseinandersetzungen erschüttert wurde.

Die letzten großen Unruhen, die Armeechef Prayut 2014 den Vorwand zum Putsch lieferten, wurden von royalistischen und konservativen Gruppen unter Führung des früheren Vizepremiers Suthep Thaugsuban angezettelt. Die wochenlangen Massenproteste richteten sich gegen die Regierung von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra, die vor allem von der armen Landbevölkerung unterstützt wurde. Suthep hat kürzlich bekundet, er könnte eine Wahl Prayuts zum Premier zu unterstützen.

Die Partei der vor einer Korruptionsanklage ins Exil geflüchteten Yingluck, Pheu Thai ("Für Thais"), die bei der Wahl 2011 die meisten Parlamentssitze geholt hatte, rechnet ebenfalls mit einem hohen Stimmenanteil. Ihre Spitzenkandidatin Sudarat Keyuraphan meint, die Menschen seien von der Politik der Junta enttäuscht. Dies werde ihrer Partei zugutekommen. Die Pheu Thai wird aber nicht von Sudarat, sondern von dem ebenfalls vom Militär gestürzten und im Exil lebenden populistischen Ex-Premier, Multimilliardär und Yingluck-Bruder Thaksin Shinawatra gesteuert.

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Thaksin, der von 2001 bis 2006 regierte, erwarb sich viele Sympathien in den ärmeren Landesteilen, unter anderen durch die Einführung einer leistbaren Krankenversicherung. Seine radikalen Anhänger, die "Rothemden", gingen auf die Straße, als nach Thaksins Sturz dessen vom Volk gewählte, loyale Nachfolger als Regierungschefs in umstrittenen Manövern von ihren Gegnern aus dem Amt gedrängt wurden. Federführend waren dabei die königstreuen "Gelbhemden".

2008 kam auf diese Weise der Chef der royalistisch ausgerichteten Demokratischen Partei, Abhisit Vejjajiva, an die Macht. Gegen den smarten, in Oxford ausgebildeten Politiker machten aber bald die Rothemden mobil. Nach seiner Niederlage bei den Wahlen 2011 trat er zurück. Beim jetzigen Urnengang will Abhisit wieder als Spitzenkandidat seiner Partei antreten. Unklar ist, ob er sich auf ein Bündnis mit Prayut einlassen oder doch eine Allianz mit jenen Kräften anpeilt, die die Militärs von der Regierung fernhalten wollen.

Als neuer Star auf der politischen Bühne versucht der 40-jährige Multimilliardär Thanathorn Juangroonruangkit mit seiner liberalen Partei "Phak Anakhot Mai" ("Vorwärts Zukunft") alle jene Wähler anzusprechen, die der alten politischen Lager überdrüssig sind. Vor den Gelbwesten-Protesten in Frankreich feierten ihn viele als "Thailands Macron". Vor allem unter der Jugend hat Thanathorn, der sich auch für die Anliegen der LGBT-Community und der #MeToo-Bewegung einsetzt, zahlreiche Anhänger. Mehrere Versuche seiner Gegner, ihm etwas Illegales "anzuhängen" schlugen bisher fehl.

Wie fragil allerdings der Demokratisierungsprozess in Thailand ist, zeigte sich Anfang März, als der Verfassungsgerichtshof eine wichtige Oppositionspartei verbot. Gegen führende Exponenten der Partei Thai Raksa Chart ("Rettet die Nation") wurde ein langjähriges Politikverbot verhängt. Grund war, dass sie die älteste Schwester des Königs, Prinzessin Ubolratana, zur Premierministerin machen wollten. Dagegen legte der neue Monarch, Maha Vajirolongkorn (Rama X.), ein Machtwort ein. Er nannte die Kandidatur verfassungswidrig und unangemessen.

Nach der Einschätzung politischer Beobachter wird es kaum einer Partei gelingen, die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament zu erobern. Außerdem hat das mächtige Oberhaus ein gewichtiges Wort bei der Regierungsbildung mitzureden. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sich alte Gegner zu Zweckbündnissen zusammenschließen, möglicherweise auch, um durch die Ernennung eines Kompromisskandidaten eine Fortsetzung der Herrschaft Prayuts zu verhindern.

Sollte keine stabile Regierung zustande kommen und die alten Grabenkämpfe wieder ausbrechen, könnte das Militär erneut eingreifen - wie so oft in der Geschichte des südostasiatischen Landes.

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